Herr Marius Grosser ist seit November 2018 Geschäftsführer der Patientenorganisation Deutscher Psoriasis Bund e.V. (DPB). Nach seinem Studium der Sozialwissenschaften (Studienrichtung Politikwissenschaft) wurde er Sprecher des Politischen Beirates des DPB e.V. und Mitglied im DPB-Vorstand. Parallel zu diesem ehrenamtlichen Engagement war er freiberuflich für die BAG SELBSTHILFE (Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V.) tätig. Der DPB e.V. versteht sich als Sprachrohr für alle an Psoriasis und Psoriasis-Arthritis erkrankten Menschen in Deutschland und bietet Betroffenen weitreichende Informations- und Unterstützungsmöglichkeiten an. (EM-163830)
Angy Caspar [00:00:02] Herzlich willkommen zu „Schuppenflechte Hilfe“, dem Podcast über Psoriasis der Janssen-Cilag GmbH. Mein Name ist Angy Caspar und zusammen mit meinen Gästen spreche ich über das Leben mit und die Behandlung von Schuppenflechte. Hören Sie rein, wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie man auch mit Psoriasis gut leben kann. Herzlich willkommen zur dritten Folge unserer Podcast-Reihe „Schuppenflechte Hilfe“. Unser heutiger Gast ist Marius Grosser. Vielen Dank, dass Sie da sind, und herzlich willkommen!
Marius Grosser [00:00:35] Vielen herzlichen Dank für die Einladung.
Angy Caspar [00:00:37] Sie sind Geschäftsführer des Deutschen Psoriasis Bundes e. V., genauer gesagt des Bundesverbands. Wir werden uns heute über ein aktuelles Projekt unterhalten, das Sie mitverantworten: Die Therapieleitlinie zur Psoriasis so zu erklären, dass auch Menschen, die nicht Medizin studiert haben, diese verstehen. Bevor wir damit starten, bitte ich Sie, sich einmal kurz vorzustellen und gerne auch ein paar Informationen zum Deutschen Psoriasis Bund zu geben.
Marius Grosser [00:01:08] Mein Name ist Marius Grosser. Ich bin 38 Jahre alt, verheiratet und glücklich. Mein Hobby ist hauptsächlich der Psoriasis Bund, der recht zeitfordernd ist. Wenn ich Freizeit habe, gehe ich gerne zum Windsurfen. Ich habe in Duisburg-Essen an der Universität Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Politikwissenschaft studiert und bin in meiner Studienzeit quasi schon zum Psoriasis Bund gekommen. Es gab den politischen Beirat, in den ich anfangs reingeschnuppert habe. Wie das dann häufig bei solchen ehrenamtlichen Tätigkeiten ist, bin ich, wie man so schön sagt, kleben geblieben und habe immer weitere Aufgaben übernommen, bis ich mich irgendwann im Vorstand des Psoriasis Bundes wiederfand. Von da aus war der Weg ins Hauptamt nicht mehr weit. Ich hatte in der Zeit davor, nach meinem Studium, noch freiberuflich für einen unserer Dachverbände gearbeitet und war dann aber froh, dass ich bei meinem „Heimatverband“, dem Deutschen Psoriasis Bund, die Möglichkeit hatte, ins Hauptamt zu wechseln.
Angy Caspar [00:02:21] Könnten Sie uns ein paar Stichpunkte zum Deutschen Psoriasis Bund nennen?
Marius Grosser [00:02:28] Der Deutsche Psoriasis Bund wurde 1973 in Hamburg gegründet und wir haben nach wie vor unseren Sitz mit der Geschäftsstelle in Hamburg. Wir sind sechs hauptamtliche Mitarbeiter, nicht alle in Vollzeit. Wir sind eine mittelgroße Selbsthilfeorganisation. Wir haben derzeit ungefähr 3800 Mitglieder, die sich in mehreren regionalen Selbsthilfegruppen gegenseitig Halt und Unterstützung geben. Wir haben auch über die gesamte Bundesrepublik verteilt ein Netz aus ehrenamtlichen Kontaktpersonen. Das sind selbst betroffene Menschen mit Psoriasis, die Telefonberatung machen und für andere Erkrankte und ihre Angehörigen als Ansprechpartner fungieren, insbesondere in den Regionen, wo es keine Selbsthilfegruppe gibt. Wir sind aber immer bestrebt, noch weitere regionale Gruppen in der Fläche zu gründen. Das geschieht dann auch häufig über diese Kontaktpersonen, die Kontakte mit anderen Betroffenen bündeln. Wenn sich dann eine kritische Masse zusammenfindet, die an einem Austausch interessiert ist, folgt nicht selten eine Gruppengründung. Darüber hinaus haben wir noch ein paar Online-Gruppen, gerade zu Themen wie beispielsweise seltene Unterformen. Dort, wo es in der Region vielleicht gar nicht so viele Betroffene gibt, um sich vor Ort zu vernetzen. Als Bundesverband bieten wir zahlreiche Workshops und Seminare – online wie auch in Präsenz – für unsere Mitglieder, aber auch für erkrankte Nichtmitglieder an und stellen Informationsbroschüren und Infoblätter zur Verfügung. Ein Kernstück unserer Arbeit ist das PSO-Magazin, das alle zwei Monate erscheint und den aktuellen medizinischen Wissensstand aufgreift. Darüber hinaus machen wir auch Lobbyarbeit. Wir setzen uns auf politischer und gesellschaftlicher Ebene für die Anliegen der Menschen mit Psoriasis ein und versuchen, sowohl die medizinische Versorgung als auch das Leben mit der Erkrankung – Stichwort Stigmatisierung und Diskriminierung, was ein großes Thema für die Menschen mit Psoriasis ist – zu verbessern.
Angy Caspar [00:04:55] Vielen herzlichen Dank für die umfangreiche Einleitung. In meiner Vorbereitung habe ich gelesen, dass eines der Hauptanliegen des DPB der mündige Patient beziehungsweise die mündige Patientin ist. Können Sie erläutern, was genau das ist?
Marius Grosser [00:05:14] Das kennt jeder, der schon mal beim Arzt war: Man ist nervös, man kennt das eigene Krankheitsbild in der Regel nicht so gut. Man weiß in vielen Fällen gar nicht, was man hat. Man hat Beschwerden, weiß aber nicht, welche Erkrankung zugrunde liegt. Unser Kernanliegen ist es, die Patienten oder die Menschen mit Psoriasis zu Expertinnen und Experten ihrer eigenen Erkrankung zu machen. In der Medizin hat sich in den letzten Jahrzehnten das Konzept des sogenannten Shared Decision Making durchgesetzt, dass nicht einfach nur der Arzt dem Patienten erzählt, was zu tun ist, sondern dass man sich als Patient mit dem Arzt auf Augenhöhe begegnet, über die Erkrankung Bescheid weiß und so gemeinsam mit dem Arzt die Therapieentscheidungen trifft. Genau dafür ist es enorm wichtig, dass man über seine eigene Erkrankung Bescheid weiß und natürlich auch über die möglichen Therapien informiert ist. Anders kann es nicht gelingen. Wir haben in Deutschland, aber natürlich auch in anderen Ländern, die Situation, dass die Ärzte nicht so viel Zeit haben, ihren Patienten das Erkrankungsbild in aller Ausführlichkeit zu erläutern, und auch alle möglichen Therapieoptionen, die für den individuellen Fall infrage kommen. Das schafft man in den paar Minuten, die die Ärzte in der Regel Zeit haben, einfach nicht. Hinzu kommt, dass man in dieser Situation als Patient nervös ist, vielleicht auch Fragen vor dem Arztbesuch hat, die man dann plötzlich vergisst. Sobald man das Sprechzimmer verlassen hat, fallen sie einem wieder ein. Genau für diese Situationen stellen wir Informationsmaterial zur Verfügung und sorgen dafür, dass die Patienten umfassend über ihre eigene Erkrankung und die für sie infrage kommenden Therapieoptionen informiert sind. So sind sie zumindest beim nächsten Arztbesuch gut gewappnet, um auf Augenhöhe die Therapieentscheidung gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt zu treffen. Das ist unser Grundanliegen und das machen wir über schriftliche Informationen, aber auch Videos, die wir zur Verfügung stellen, und natürlich im Rahmen unserer Seminare und Workshops.
Angy Caspar [00:07:55] Sie sprachen vorhin von der Therapieleitlinie. Was genau ist das und wofür steht sie? In diesem Zusammenhang bin ich auch auf die Abkürzung S3 gestoßen. Was bedeutet das?
Marius Grosser [00:08:15] Die Therapieleitlinie, wie wir sie nennen, ist eine unserer Hauptbroschüren. Sie ist die Übersetzung der medizinischen S3-Leitlinie für Patienten. Die S3-Leitlinie ist das Werk, an dem sich die Ärzte bei ihrer Entscheidungsfindung für die Therapie orientieren. Darin ist festgelegt, welche Therapieoptionen in welchen Krankheitssituationen für die Patienten infrage kommen. Es wird beispielsweise nach dem Schweregrad unterschieden, aber auch nach Begleiterkrankungen, also Komorbidität. S3 bedeutet die höchste Evidenzstufe, die höchste Zuverlässigkeitsstufe. Das bedeutet, dass sich viele Mediziner auch international darüber Gedanken gemacht und aus ihrem Erfahrungsschatz und der Studienlage heraus zusammengetragen haben, in welchen Konstellationen welche Therapien den Patienten zur Verfügung gestellt werden sollten. Wir übersetzen diese für Mediziner konzipierte S3-Leitlinie regelmäßig, immer wenn sie ein Update erfährt, in eine für Laien verständlichere Sprache. Genau das haben wir im Jahr 2006 getan, als die erste S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris verfasst wurde. Wir haben uns kurz darauf mit den Autoren der Leitlinie zusammengesetzt und überlegt, wie wir sie in eine für Laien verständlichere Version bringen können. So haben wir das über die Jahre immer fortgeführt. Mit jedem Update, das die S3-Leitlinie erfahren hat, haben wir unsere damals noch „Patientenleitlinie“ genannte Broschüre immer wieder angepasst, natürlich an den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Mit der jüngsten Auflage haben wir die damalige Patientenleitlinie in Therapieleitlinie umbenannt, weil man Patientenleitlinie sonst im Titel hätte gendern müssen. Uns ist es natürlich ein Anliegen, dass sich alle angesprochen fühlen. Deshalb heißt sie jetzt Therapieleitlinie und geht auch ein Stück weit über die reinen Inhalte der S3-Leitlinie hinaus. Wo es für die Patienten zum Verständnis hilfreich ist oder einen Mehrwert bietet, haben wir das um Sachen ergänzt, die für Mediziner selbstverständlich sind und in der S3-Leitlinie nicht mehr erwähnt werden müssen. Das haben wir dann in unserer Therapieleitlinie, also in der Patientenversion, noch mit aufgenommen.
Angy Caspar [00:11:03] Das klingt alles sehr komplex. Kann man das so zusammenfassen, dass Sie diese Leitlinien, die für Ärzte geschrieben werden, übersetzen, damit sie auch jemand lesen kann, der nicht Medizin studiert hat?
Marius Grosser [00:11:24] Genau. Bei der aktuellen Therapieleitlinie haben wir zum Beispiel aus gegebenem Anlass ein Kapitel zum Thema Impfen aufgenommen, speziell zu den COVID-19-Impfungen, weil das eine Fragestellung war, die häufig an uns herangetragen wurde und auch noch wird. So haben wir diese für laienverständliche Übersetzung der S3-Leitlinie konzipiert. Die Basis unserer Therapieleitlinie bildet nach wie vor die S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris. Wir greifen hier mit unserer Therapieleitlinie die Psoriasis vulgaris auf. Das ist die häufigste Form der Schuppenflechte, von der circa 80 % der Personen mit Psoriasis betroffen sind. Im englischsprachigen Raum spricht man auch häufig von Plaque-Psoriasis oder vom chronischen Typ Plaque-Psoriasis. Das sind die Synonyme dafür. Die Therapieleitlinie kann man über unsere Homepage beziehen. Wir stellen sie auch über unseren PSO-Kiosk, unsere Zeitschriften-App, digital zur Verfügung. Aktuell arbeiten wir an einer kleinen Microsite, einer kleineren Internetseite, auf der die Inhalte der Therapieleitlinie für alle zugänglich gemacht werden. Die Herausforderung ist, die Struktur einer solchen Broschüre in die Form einer Internetseite zu bringen. Wir wollen nicht nur den Text übertragen, sondern das Ganze muss anders aufbereitet werden. Daran arbeiten wir gerade und sind guter Dinge, dass wir das noch im Laufe dieses Jahres fertigbekommen und dann eine Internetseite haben, eine Anlaufstelle, wo man sich über die zur Verfügung stehenden Therapieoptionen bei der Psoriasis vulgaris beziehungsweise der Plaque-Psoriasis informieren kann. Das ist ein schönes Projekt, an dem wir gerade arbeiten, und wir freuen uns, dass wir da auf einem guten Weg sind und bis Ende des Jahres sicherlich fertig werden.
Angy Caspar [00:13:39] Vielen Dank, dass Sie erwähnt haben, dass man die Broschüre auf der Webseite des Deutschen Psoriasis Bundes bestellen kann. Wir werden in den Shownotes zu dieser Folge darauf verlinken. Können Sie den Zuhörenden einen kleinen Überblick geben, was sie in dieser Broschüre erwartet?
Marius Grosser [00:13:58] Die Broschüre startet mit der naheliegenden Frage: Was ist Psoriasis überhaupt? Wie erkennt man sie? Wie wird sie diagnostiziert? Welche Therapiemöglichkeiten gibt es und was ist bei der Therapie zu beachten? Wir haben ein Kapitel zu den verschiedenen Therapieoptionen und anschließend noch eine Erläuterung, wenn sich die Psoriasis an speziellen Orten auf dem Körper, an speziellen Lokalisationen befindet, wie beispielsweise Kopfhaut oder Nägel, was Problembereiche sind, die nicht ganz so einfach zu behandeln sind. Auch darauf geht die S3-Leitlinie ein und dementsprechend auch unsere laienverständliche Übersetzung. Wir greifen auch besondere Unterformen der Psoriasis auf, beispielsweise Körperfaltenpsoriasis, tropfenförmige Psoriasis oder pustelförmige Psoriasis. Auch dazu findet man Hinweise. Weil sich die Therapie der Psoriasis bei Erwachsenen von der bei Kindern unterscheidet, wird die Psoriasis bei Kindern aufgegriffen. Psoriasis-Arthritis ist die häufigste Begleiterkrankung. Das heißt, die Psoriasis äußert sich nicht nur auf der Haut, sondern betrifft auch die Gelenke. Das ist ein kleiner Abriss, was noch aufgegriffen wird. Ich hatte vorhin schon gesagt, ein größeres Thema ist das Impfen. Auch darauf gehen wir ein, insbesondere auf die Corona-Impfung.
Angy Caspar [00:15:35] Herzlichen Dank für diesen kleinen Ausblick. An dieser Stelle möchte ich auch gerne auf unsere beiden ersten Podcastfolgen verweisen. Für diejenigen, die noch nicht reingehört und direkt mit Folge drei gestartet sind: In Folge eins mit dem Titel „Psoriasis: Mehr als eine Hauterkrankung“ war Dr. Nina Trenkler zu Gast. Sie ist Fachärztin für Dermatologie und hat unter anderem darüber gesprochen, was Psoriasis ist, was bei der Erkrankung im Körper passiert, sowie über Ursachen, Symptome, Begleiterkrankungen und den Leidensdruck, der mit der Erkrankung verbunden sein kann. In der zweiten Folge war sie erneut zu Gast und hat ausführlich und informativ darüber gesprochen, wie eine ausgewogene Ernährung die Psoriasis beeinflussen kann – vor allen Dingen positiv. Herr Grosser, Sie sagten anfangs, dass es wichtige Themen gibt, deren sich Betroffene bewusst sein sollten. In meiner Vorbereitung bin ich auf die Bedeutung des Schweregrades der Psoriasis gestoßen. Könnten Sie darauf bitte einmal genauer eingehen?
Marius Grosser [00:16:46] Um nachvollziehen zu können, welche Handlungsempfehlungen der Arzt ausspricht, muss man seine eigene Erkrankung einordnen können. Das geschieht in der Regel mithilfe des Schweregrades. In der Theorie unterscheidet man leichte Psoriasis und eine mittelschwere bis schwere Psoriasis. Typischerweise wird der Schweregrad der Erkrankung über den BSA, den Body-Surface-Area-Wert, erhoben. Damit wird ermittelt, wie groß die Flächenausdehnung der Psoriasis auf der Haut ist. Es gibt verschiedene Abstufungen. Bei einem Wert von unter 3 % spricht man von einer leichten Ausprägung. Bei 3 bis 10 % wird sie als mittelschwer eingestuft. Wenn mehr als 10 % der Körperoberfläche betroffen sind, spricht man von einer schweren Ausprägung. Das ist das eine Messinstrument, mit dem die Ärzte arbeiten. Daneben gibt es noch den PASI, den „Psoriasis Area and Severity Index“. Da wird neben der Ausdehnung der Fläche auf dem Körper auch die Beschaffenheit der Psoriasis, also der schuppigen Stellen, begutachtet. Da kommt es auf den Grad der Schuppung, die Rötung und die Dicke der Hautläsionen an. Es gibt eine bestimmte Formel, mit der das berechnet wird, aber im Grunde kann man sagen, dass man sich die Körperregionen, also Kopf, Rumpf, Arme und Beine, anschaut. Dann werden die Intensität der Schuppung, Rötung und Dicke der Hautläsionen mit Punkten bewertet und am Ende hat man einen bestimmten Punktewert zwischen null und 72. Ab dem Wert von zehn spricht man von einer mittelschweren bis schweren Form der Psoriasis. Das sind die beiden Messinstrumente, mit denen die Mediziner arbeiten. Da sich die Psoriasis aber auch auf die Lebensqualität der Patienten enorm auswirkt, wird auch das erfasst. Das typische Instrument ist der „Dermatology Life Quality Index“, der DLQI. Mit ihm wird die persönliche Beeinträchtigung der Lebensqualität erhoben. Inwieweit der Alltag – Freizeit, Studium, Ausbildung, aber auch das Berufsleben und die zwischenmenschlichen Beziehungen – von der Psoriasis beeinflusst werden, wird typischerweise von den Patienten berichtet. Deshalb nennt man das auch „patientenberichteter Endpunkt“. Auch da gibt es einen Fragebogen, den man als Patient ausfüllt, mit einer Punktebewertung. Wenn man über zehn Punkten beim DLQI liegt, hat die Psoriasis einen starken Einfluss auf die Lebensqualität, bei über 20 Punkten einen sehr starken Einfluss. Die maximal erreichbare Punktzahl der Beeinträchtigung durch die Psoriasis kann maximal den Wert von 30 erreichen. So ergibt sich die Einordnung der Beeinträchtigung der Lebensqualität. Um zu ermitteln, wie schwer die Psoriasis ist, sagt man, eine leichte Psoriasis liegt vor, wenn der BSA oder der PASI, also die beiden vom Arzt ermittelten Werte, unter dem Wert von zehn liegen. Wenn man einen Wert von über zehn beim BSA oder beim PASI hat, liegt eine mittelschwere bis schwere Form der Psoriasis vor. Wenn der DLQI, also die Beeinträchtigung der Lebensqualität, über zehn liegt, geht man von einer mittelschweren bis schweren Form der Psoriasis aus. Das ist ein gutes Messverfahren, um den Schweregrad der Erkrankung zu ermitteln. Hinzu kommt, dass sich die Psoriasis an verschiedenen Stellen im Körper befinden kann. Da gibt es sogenannte Upgrade-Kriterien. Wenn beispielsweise der Kopf stark betroffen ist, die Hände, die Handflächen, die Fußsohlen, der Genitalbereich und die Fingernägel, kann es sein – auch wenn man von der betroffenen Körperoberfläche her vielleicht nicht über diesen zehn Punkten beim BSA und PASI liegt – dass durch diese besondere Lokalisation der Psoriasis auf dem Körper eine starke Beeinträchtigung vorliegt und man dann von einer mittelschweren bis schweren Form der Psoriasis sprechen kann. Das ist dann aber patientenindividuell, auch in dem Zusammenspiel, wie belastend die Patienten das empfinden, wenn sie von dieser speziellen Lokalisation betroffen sind. Man kann festhalten: Bei BSA oder PASI über zehn und DLQI über zehn ist das eine schwere Form. Oder wenn die Werte unter zehn liegen, aber man im Gesicht, an den Händen oder im Genitalbereich die Psoriasis hat, kann durchaus auch eine schwere Form gegeben sein. Zu beachten ist, dass neben dieser besonderen Lokalisation auch der Juckreiz eine Rolle spielen kann. Das war lange Zeit in der Ärzteschaft nicht so richtig beachtet worden, dass die Psoriasis mit einem enormen Juckreiz einhergehen kann, der die Patienten beinahe in den Wahnsinn treiben oder zumindest schlaflose Nächte bedeuten kann. Das wäre auch noch mal ein Upgrade-Kriterium. Grundsätzlich würden wir Patienten ermutigen, beim Arzt konkret zu fragen, welche Werte man hat. Das ist immer interessant zu wissen. Auch um den Therapieerfolg abschätzen zu können, sollte man sich mitteilen lassen, wie der PASI-Wert, der DLQI oder der BSA-Wert sind. In der Arztpraxis werden diese Werte erhoben, auch der DLQI, das ist ein Fragebogen. Häufig füllt man den als Patient schon im Wartezimmer aus. Alle drei Instrumente dienen dazu, den Therapieerfolg festzustellen und festzuhalten. Es ist empfehlenswert, sich als Patient immer mal wieder vor Augen zu führen, welche Entwicklung man gemacht hat. Grundsätzlich gilt, dass alle diese Werte mindestens einmal im Jahr erhoben werden sollten, gerne auch öfter, gegebenenfalls sogar einmal im Quartal.
Angy Caspar [00:23:55] Vielen Dank! Das war sehr aufschlussreich. Das heißt, der Schweregrad der Psoriasis ist entscheidend dafür, welche Therapieempfehlungen in den Leitlinien gegeben werden?
Marius Grosser [00:24:12] Genau. Nur zur Erläuterung: Diese ganzen Ausführungen zum Schweregrad, also BSA, PASI, DLQI, befinden sich nicht so ausführlich in unserer Broschüre „Therapieleitlinie“. Wir haben eine umfassendere Broschüre mit diesen Basisinformationen, unser Handbuch „Psoriasis und Psoriasis Arthritis“. Auch das kann über den Deutschen Psoriasis Bund bezogen werden. In der Therapieleitlinie steht das nicht so ausführlich, aber es steht natürlich drin, welche Therapieoptionen für welche Schweregrade infrage kommen. Vereinfacht kann man festhalten, dass für die leichtere Psoriasis eine topische Therapie zunächst infrage kommt. Topisch bedeutet, dass sie äußerlich angewendet wird. Das sind Cremes, Salben, Lotionen mit Wirkstoffen, die in der Regel auch bei einer leichten Psoriasis sehr gut wirken und mit denen die meisten Patienten gut zurechtkommen. Für die mittelschweren und schweren Fälle würde man typischerweise systemische Medikamente, also innerlich wirkende Medikamente, einsetzen, die in der Regel über Tabletten oder Injektionen, Infusionen verabreicht werden. Hier gibt es noch eine Unterscheidung zwischen konventionellen, älteren Medikamenten und den moderneren Therapien, zu denen man die Biologika zählt. Der dritte therapeutische Strang ist die Bestrahlung mit speziellem Licht, die sogenannte Phototherapie. Das ist allerdings eine Behandlung, die typischerweise in der Arztpraxis oder in der Klinik durchgeführt wird. Viele Menschen mit Psoriasis kennen es, dass die Erkrankung im Sommer etwas besser wird. Das liegt am UV-Licht, nicht selten auch im Urlaub in Kombination mit Salzwasser. Das ist die Schiene der physikalischen Therapie, also Lichttherapie, gerne auch in Kombination mit einer Badetherapie in Salzwasser. Um die Lichtsensibilität zu steigern, kann man sogenannte Psoralene einnehmen, entweder als Tablette oder als Creme, damit die Haut besser auf das UV-Licht anspricht. Das sind die drei therapeutischen Stränge: topische, systemische und physikalische beziehungsweise Phototherapie. Wichtig ist, dass man die Haut auch abseits der Therapie immer gut pflegt, also Feuchtigkeitscremes verwendet. Auch hier: Urea-Produkte, also mit Harnstoff, sind sehr gut. Außerdem ist es wichtig, die Triggerfaktoren, also Auslösefaktoren, die einen Schub mit sich bringen können, zu erkennen und zu vermeiden. Ein typisches Beispiel ist Stress. Viele Erkrankte berichten, dass sich in besonders stressigen Situationen die Psoriasis zum ersten Mal geäußert hat, sozusagen ausgebrochen ist. Sie berichten aber auch, dass sich die Psoriasis in stressigen Situationen verschlimmert. Insofern ist es neben der Therapie wichtig, die Triggerfaktoren zu erkennen und zu vermeiden. Das hatten Sie auch in der vorhergehenden Folge schon angesprochen: Das Thema Ernährung kann eine wichtige Rolle spielen. Grundsätzlich neigen Menschen mit Psoriasis zu Übergewicht. Da ist es besonders wichtig, auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung zu achten. Es gibt aber auch Lebensmittel, die eine entzündungshemmende Wirkung haben. Das ist das Spektrum, wie man seine Erkrankung gut in den Griff bekommt. Neben dem Besuch beim Arzt gibt es viel, was man als Patient selbst tun kann, damit es einem mit der Erkrankung besser geht und man weniger Schübe hat oder die Schübe schneller wieder vorbeigehen. Wichtig zu wissen ist auch, dass sich die Kosten der Therapien unterscheiden können und dass man im deutschen Gesundheitssystem als Arzt angehalten ist, wirtschaftlich zu verordnen. Daher kann es sein, dass man als Patient erst mal eine andere Therapie ausprobieren soll als die, die laut Leitlinie indiziert ist. Das ist insoweit okay, weil beispielsweise die konventionellen, älteren Therapien in der Regel günstiger sind. Sie haben sich aber auch bewährt. Das wird einem der Arzt spätestens auf Nachfrage erklären. Wenn man für sich selbst vielleicht entschieden hat, dass man eine andere Therapie möchte, ist es wichtig, das anzusprechen, sich mit dem Arzt zu beraten und sich das erklären zu lassen. Grundsätzlich möchte ich alle Patienten ermutigen, sich nicht nur mit ihrer Erkrankung auseinanderzusetzen, sondern bei Unzufriedenheit mit der aktuellen Therapie den behandelnden Arzt offen und direkt darauf anzusprechen. Das ist das gute Recht, das man als Patient hat. Mitunter kann es auch hilfreich sein, sich eine Zweitmeinung einzuholen. Auch das ist nichts Schlimmes und dafür sollten Ärzte Verständnis haben. Wir wissen aus unserer täglichen Arbeit, dass es nicht so einfach ist, an entsprechende Fachärzte zu gelangen. Die dermatologischen Praxen sind überlaufen. Es gibt aber auch entsprechende Versorgungszentren. Oftmals heißt es dann „Psoriasis-Sprechstunde“. Das sind besondere Sprechzeiten, zu denen sich Patienten vorstellen können. Auch da hilft der Blick auf die Internetseiten der Kliniken oder ein Anruf bei uns in der Geschäftsstelle, damit wir in der entsprechenden Region den Patienten etwas empfehlen können.
Angy Caspar [00:30:52] Das waren sehr viele informative, hilfreiche Informationen. Haben Sie, mit Ihrer großen Erfahrung, vielleicht noch etwas, das Sie unseren Zuhörern abschließend mit auf den Weg geben möchten?
Marius Grosser [00:31:08] Ein Anliegen, das auch Bestandteil unserer täglichen Arbeit ist, ist die Aufklärung über die Erkrankung, nicht nur bei den Patienten, sondern auch in der Gesellschaft. Es geht darum, aufzuklären, dass die Psoriasis kein einfaches kosmetisches Problem ist. Leider wird das häufig noch so gesehen. Die Psoriasis ist eine schwerwiegende Entzündungserkrankung, eine chronische Erkrankung, die nicht heilbar ist, die aber inzwischen recht gut therapierbar ist. Sie betrifft nicht nur die Haut – und bei der Psoriasis-Arthritis die Gelenke – sondern es spielt sich im Grunde ein Entzündungsprozess im gesamten Körper ab. Das kann unbehandelt weitere Komplikationen nach sich ziehen. Weil uns das immer wieder begegnet, dass die Psoriasis marginalisiert wird, möchte ich darauf hinweisen: Es ist keine leichte Erkrankung, es ist eine schwerwiegende, ernst zu nehmende Erkrankung. Der andere Punkt, der vielleicht aufgefallen ist: Ich habe versucht, den Begriff „Schuppenflechte“ zu vermeiden. Ich weiß gar nicht, ob es mir immer gelungen ist, aber das ist ein wichtiger Punkt. Der Begriff „Schuppenflechte“ ist vielen Menschen bekannt. Die wenigsten wissen aber, welche komplexe Erkrankung sich dahinter verbirgt. Mit der Schuppenflechte wird häufig nur diese marginalisierte Hauterkrankung verstanden. Das ist der eine Aspekt. Der andere ist, dass der Begriff „Schuppenflechte“ an sich schon eine gewisse Stigmatisierung in sich birgt. Schuppen sind nicht schön. Flechte: Da verbinden die wenigsten Menschen etwas Positives mit. Deshalb, weil der Begriff „Psoriasis“ noch recht unbekannt ist, verwenden wir ihn gerne, weil das für uns die Chance bietet, die Erkrankung neu zu erklären und mit Vorurteilen aufzuräumen. Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich die ganze Zeit von Psoriasis gesprochen habe. Das war beabsichtigt. Im englischsprachigen Raum spricht man, weil es den gesamten Körper betrifft, von „psoriatic disease“. Im Deutschen klingt das weniger schön: Psoriasis-Krankheit. Damit würde man aber zumindest diese Komplexität und die vielen Facetten der Erkrankung besser umreißen, erst recht besser als mit dem Begriff „Schuppenflechte“, der ein stigmatisierendes Element in sich birgt. Das wollte ich zum Abschluss noch einmal gesagt haben.
Angy Caspar [00:33:51] Herzlichen Dank und vielen Dank für diese abschließenden, wichtigen Worte. Ich bin mir sicher, dass unsere Zuhörer heute viele neue Informationen erhalten haben. Damit verabschiede ich Sie, Herr Grosser, und sage: Herzlichen Dank, dass Sie mein Gast waren.
Marius Grosser [00:34:07] Vielen Dank, dass Sie mich empfangen haben, und vielen Dank an alle, die mir geduldig zugehört haben. Es war mir eine Freude.
Angy Caspar [00:34:15] Weitere Informationen finden Sie auf www.psoriasis-bund.de und auf www.schuppenflechtehilfe.de. Seien Sie gespannt auf unsere nächste Folge, in der wir uns mit einer anderen Facette der Schuppenflechte beschäftigen werden. Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute. Schön, dass Sie heute mit dabei waren. Wir hoffen, Ihnen hat die Folge gefallen. Haben Sie vielleicht Themenvorschläge, Wünsche oder Anregungen für uns in diesem Podcast? Dann schreiben Sie uns! In der Podcastbeschreibung finden Sie die Infos dazu, wie Sie uns kontaktieren können.