Dr. med Ralph von Kiedrowski ist Facharzt für Dermatologie, Venerologie sowie für Allergologie. Seit inzwischen 27 Jahren ist er in einer Einzelpraxis im Westerwald niedergelassen, wo er seit 10 Jahren eine Spezial- und Schwerpunktpraxis für (unter anderem) Psoriasis und Psoriasis-Arthritis betreibt. Darüber hinaus ist er Präsident des Berufsverbandes der deutschen Dermatologen (BVDD). Dr. med Ralph von Kiedrowski setzt sich zusammen mit seinen Kolleg:innen mit viel Engagement und Leidenschaft für die optimale Versorgung der Patient:innen ein. Die durch den BVDD gegründete Kampagne „bitte berühren“ unterstützt Betroffene sowohl im Verständnis ihrer Erkrankung als auch darin, mit ihren Behandler:innen auf Augenhöhe zu kommunizieren, um die für sie passende Therapieoption zu erhalten.
[00:00:01] – Intro und Vorstellung Dr. Ralph von Kiedrowski
[00:02:35] – Faszination Dermatologie und persönliche Motivation
[00:05:37] – Optimierung des Arzt-Patienten-Gesprächs (Fragebögen & Vorbereitung)
[00:07:21] – Versorgungssituation & Leitlinien in der Psoriasis-Therapie
[00:10:16] – Krankheitsverlauf und Bedeutung des frühen Behandlungsbeginns
[00:12:42] – Auswirkungen des Behandlungszeitpunkts (früh vs. spät)
[00:14:19] – Tipps zur Arztsuche und Terminvereinbarung
[00:17:13] – Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) und seine Aufgaben
[00:19:34] – Die Kampagne „bitte berühren“ – Aufklärung und Unterstützung
[00:21:53] – Anspruch an die Psoriasis-Versorgung und Botschaft an Betroffene
Angy Caspar [00:00:01] Herzlich Willkommen zu Schuppenflechte Hilfe dem Podcast über Psoriasis der Jansen-Cilag GmbH. Mein Name ist Angy Caspar und zusammen mit meinen Gästen spreche ich über das Leben mit und die Behandlung von Schuppenflechte. Hören Sie rein, wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie man dazu beitragen kann, auch mit Psoriasis gut zu leben.
Herzlich willkommen zu einer weiteren Folge unser Podcast-Reihe „Schuppenflechte Hilfe“! Ich freue mich sehr darüber, heute Herrn Dr. von Kiedrowski als Gast begrüßen zu dürfen. Herr Dr. von Kiedrowski ist Facharzt für Dermatologie, Venerologie sowie für Allergologie. Er ist Inhaber einer Spezial- und Schwerpunktpraxis für Psoriasis und Psoriasis-Arthritis. Außerdem ist er Präsident des Berufsverbandes der deutschen Dermatologen - kurz BVDD. Ich freue mich sehr darüber, dass Sie heute mein Gast sind. Herzlich willkommen.
Dr. von Kiedrowski [00:00:59] Hallo, Frau Caspar.
Angy Caspar [00:01:00] Hallo. Schön, dass Sie da sind. Ich bitte Sie, dass Sie sich einmal kurz unseren Zuhörenden vorstellen.
Dr. von Kiedrowski [00:01:07] Gerne. Sie haben schon vieles vorweggenommen. Mein Name ist Ralph von Kiedrowski. Ich bin seit 27 Jahren in einer Einzelpraxis im schönen Westerwald niedergelassen. Viele werden denken Selters? „Kenne ich doch!“ Es ist aber Selters im Westerwald und nicht an der Lahn (das hat nichts mit dem Mineralwasser zu tun). Dort betreibe ich, nach anfänglicher allgemeinen Hausarztpraxis, seit über zehn Jahren eine „Spezialpraxis“ für chronisch entzündliche Dermatosen. Dazu gehören Psoriasis, Hidradenitis, Akne und Neurodermitis. Wir bieten ein breites Portfolio an Therapien: Lichttherapie, konventionelle Therapie und biologische Systemtherapie. Mit Beginn meiner Niederlassung habe ich mich auch im Berufsverband der deutschen Dermatologen angemeldet. Über den Bezirksobmann in Rheinland-Pfalz kam ich in den Landesvorstand und 2011 schließlich in den Bundesvorstand. Nun habe ich die Ehre, dem Verband als Präsident vorzustehen.
Angy Caspar [00:02:35] Wunderbar, vielen herzlichen Dank für diese ausführlichen Informationen. Und zuallererst interessiert mich, was Sie persönlich am Fachgebiet Dermatologie besonders fasziniert.
Dr. von Kiedrowski [00:02:46] Es war eigentlich Zufall, dass ich in diesem Fach gelandet bin. Im Medizinstudium hat man nur ein Semester Kontakt damit. Erst später als Truppenarzt und während meiner Facharztausbildung, habe ich mich dafür entschieden. Die Dermatologie bot mir von Anfang an eine große Vielfalt: die Kombination aus operieren, interessanten Krankheitsfällen und die Möglichkeit zur Weiterbildung in Bereichen wie Allergologie und Berufsdermatologie. Dieses Facettenreiche hat mich in der Praxis zu einer breiten Versorgung geführt. Auch der Einstieg ins Spezialgebiet Psoriasis war Zufall. Das hat mich dann so fasziniert, dass wir uns auf chronisch entzündliche Dermatosen spezialisiert haben – auch aufgrund der regionalen Besonderheit, dass im Umkreis von 100 Kilometern keine stationäre Psoriasis-Versorgung möglich ist.
Angy Caspar [00:03:55] Wie man schon hört, setzen sie sich mit viel Leidenschaft ein, um Patient:innen über alle Facetten ihrer Erkrankung und die möglichen Therapieoptionen aufzuklären. In Ihrer Tätigkeit als niedergelassener Facharzt und auch als Präsident des BVDD - worüber wir später auf jeden Fall noch mal sprechen werden - bitte fassen Sie für unsere Zuhörenden einmal in Worte, was ihnen besonders wichtig ist und aus welchem Grund ihnen diese Arbeit so am Herzen liegt.
Dr. von Kiedrowski [00:04:21] Ich hatte das große Glück, in einer Zeit in dieses Fach zu kommen, in der wir einen Quantensprung vollzogen haben. Aus meiner Ausbildungszeit kenne ich die Dermatologie noch als überwiegend konventionelles Fach. Wir hatten viele topische Therapien, also äußerliche Behandlungsmöglichkeiten mit wunderbaren Magistralrezepturen, aber wenige Möglichkeiten zur innerlichen Behandlung. Das änderte sich 2004 grundlegend – was wir vor zwei Wochen mit einem großen Kongress gefeiert haben. Die Einführung innerlich wirkender Medikamente bei einer scheinbar äußerlichen Erkrankung wie Psoriasis war ein Game-Changer für unser Fach. Wir haben uns dadurch ganz anders weiterentwickelt. Diese Faszination ist bis heute geblieben. Deshalb war es mir wichtig, sowohl für mich als auch für die Fachgruppe, an der Implementierung und Verstetigung dieser Therapieoptionen in der täglichen Praxis zu arbeiten.
Angy Caspar [00:05:37] Natürlich habe ich mir in der Vorbereitung auf diesen Podcast auch die Webseite ihrer Praxis angeschaut und dabei festgestellt, dass sie dort auch Materialien für die Vorbereitung auf das Arztgespräch zur Verfügung stellen. Dabei handelt es sich um Fragebögen zur individuellen Krankengeschichte und auch zum Thema Lebensqualität. Wie hilft diese Vorbereitung Ihnen und auch Ihren Patient:innen?
Dr. von Kiedrowski [00:06:01] Wir wissen alle, dass wir in der Arztpraxis viel zu wenig Zeit haben. Die Zeit mit dem Patienten ist bei dem Druck durch Patientenmenge und betriebswirtschaftliche Anforderungen die wichtigste und kürzeste Ressource. Deshalb ist es in manchen Praxen schwieriger, neue Therapien zu etablieren. Wir versuchen, möglichst viele Patienteninformationen vorab zu bekommen, zum Beispiel durch Fragebögen. So können wir die Zeit im Arzt-Patienten-Gespräch nutzen, um die Therapie zu besprechen, anstatt langwierig die Anamnese zu erheben. Die Krankengeschichten der Patienten sind oft jahrelang, und dafür hat man im Regelfall wenig Zeit. Wenn ich diese Informationen aber vorher habe – und ich brauche sie ja – geht alles viel besser. Mit einem informierten Patienten kann ich auf Augenhöhe die Therapieoptionen besprechen. Ohne Verständnis des Patienten wird die beste Therapieidee nicht fruchten.
Angy Caspar [00:07:21] Danke sehr dafür. Auf Ihrer Homepage schreiben Sie auch, dass Sie sich als Schwerpunktpraxis der nationalen Leitlinie zur Behandlung der Psoriasis vulgaris verschrieben haben. Über die S3-Leitlinie, genauer gesagt die Therapie „Leitlinie Psoriasis: ein Ratgeber für Patientinnen und Patienten“, habe ich mich in Folge drei bereits ausführlich mit Herrn Grosser, dem Vorsitzenden des Deutschen Psoriasis Bundes, unterhalten. Wichtig zu wissen ist hierbei, dass die Therapieform der Psoriasis maßgeblich vom Schweregrad der Erkrankung abhängt. Während äußerliche Therapien in Form von Salben, Lotion oder Cremes vor allem in der Behandlung der leichten Psoriasis zum Einsatz kommen, sind bei Menschen mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis systemische, also innerlich angewandte Therapien in Form von Tabletten oder Spritzen indiziert. Herr Dr. von Kiedrowski, wie würden Sie die aktuelle Versorgungssituation für Psoriasis- und Psoriasis-Arthritis-Betroffene in Deutschland allgemein beschreiben?
Dr. von Kiedrowski [00:08:21] In den letzten 20 Jahren hat sich viel verbessert, zum einen im Verständnis der Erkrankung. Bei vielen Patienten, insbesondere mit schwerer Hautbeteiligung, ist es nicht nur eine Hautentzündung, sondern betrifft auch Grenzflächen wie Gefäßhäute, Darmschleimhaut und Gelenkhäute. Psoriasis ist also eine Systemerkrankung. Die Entzündung befindet sich im Körper und manifestiert sich an verschiedenen Stellen. Deshalb sind die neuen Therapieoptionen eine wichtige Innovation. Immer mehr Kollegen haben die umfangreiche Leitlinie in ihre Praxisroutine übernommen. Andersherum betrachtet, sehen wir aber auch anhand unserer Berufsverbandsaktivitäten („bitte berühren“), dass viele Patienten nicht leitliniengerecht behandelt werden. Entweder sind sie gar nicht in medizinischer Versorgung, weil sie resigniert haben, oder ihre Praxis bietet nicht die modernen Standards an. Die Gründe dafür sind vielfältig und würden diese Podcast Folge sprengen. Wir arbeiten daran, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Der Anteil der Patienten mit Systemtherapie ist deutlich gestiegen, aber es gibt noch Verbesserungspotenzial, an dem wir weiterarbeiten sollten.
Angy Caspar [00:10:16] Okay, dazu habe ich jetzt direkt noch mal zwei tiefergehende Fragen. Und zwar zum einen: Wie lange ist im Schnitt die bisherige Krankengeschichte Ihrer Patientinnen? Und zweitens: Kommen viele Betroffene direkt nach dem Auftreten der ersten Symptome zu Ihnen beziehungsweise kurz nach Diagnosestellung durch ein Hausarzt oder hat die Mehrzahl ihrer Patient:innen bereits ein langen Leidensweg und unzufriedenstellende Behandlungen hinter sich.
Dr. von Kiedrowski [00:10:42] Auch das ist unterschiedlich zu bewerten. Ich sehe hier persönlich einen Wandel, spreche aber aus der Perspektive meiner Spezialisierung. Mein Patientenkollektiv ist vielleicht etwas Besonderes im Vergleich zu Regionen, wo diese Spezialisierung nicht so leicht zugänglich ist. Über die Jahre kommen viele Patienten mit immer kürzerer Anamnese in die Praxis. Der Bekanntheitsgrad der Erkrankung hat sich erhöht – auch dank des Deutschen Psoriasis Bundes, der die Erkrankung in der Öffentlichkeit darstellt. Das ist auch der Sinn des Welt-Psoriasis-Tages, den wir in einer Woche feiern. Die Patienten wissen heute, welche Therapien es gibt, was früher nicht unbedingt der Fall war, und fragen gezielt nach modernen Behandlungen. Je früher ein Patient nach Auftreten der Beschwerden kommt und je früher eine effektive Therapie eingeleitet wird, desto besser ist der Langzeitoutput. Wir haben einen Paradigmenwechsel: Ähnlich wie bei der Gelenkbeteiligung wissen wir jetzt auch bei der Hautbeteiligung, dass eine frühe und effektive Behandlung der Entzündung den Gesamtverlauf günstig beeinflusst. Heilen können wir nicht, aber den Verlauf positiv beeinflussen. Ich stelle fest, dass immer mehr Patienten mit kurzer Anamnese kommen. Sie müssen aber den Weg in die Praxis finden und einen Termin bekommen, was aufgrund der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen nicht immer einfach ist. Hier setzen wir auf die Hausärzte, die als Filter fungieren und Patienten gezielt überweisen.
Angy Caspar [00:12:42] Sie hatten sie jetzt schon zum Teil beantwortet. Und dennoch möchte ich da auch noch mal so ein bisschen tiefer reingehen und nämlich die Frage stellen: Wie kann es sich für Betroffene konkret auswirken, wenn sie erst nach Jahren der Leitlinie entsprechend behandelt werden? Oder andersherum gefragt eben: Welche Vorteile hat ein früher Behandlungsbeginn?
Dr. von Kiedrowski [00:13:00] Wir haben bereits festgestellt, dass es sich um eine generalisierte Entzündung im Körper, eine Systemerkrankung handelt. Die Entzündung ist an der Haut sichtbar, an anderen Grenzflächen wie Gelenken oder Gefäßen jedoch zunächst nicht. Wenn die Entzündung dann zu Erkrankungen wie Gelenkentzündung oder Atherosklerose führt, treten die Symptome erst spät auf. Niemand möchte aufgrund einer Körperentzündung einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden. Diese Zusammenhänge existieren. Wir wissen, dass die Gefahr in der Hochregulation des Immunsystems liegt. In der Haut und im Gewebe werden Gedächtniszellen gebildet, die immer wieder zu einem Aufflackern der Entzündung führen. Es gibt wissenschaftliche Belege dafür, dass eine frühe Intervention, also die Runterregulation des Immunsystems, die Entstehung und Konsistenz dieser Gedächtniszellen vermindert. Das führt zu einer besseren Gesamtprognose und einem leichteren Krankheitsverlauf.
Angy Caspar [00:14:19] In unseren vorherigen Podcast Folgen wurde wiederholt angesprochen, wie sinnvoll es für Psoriasis-Patient:innen sein kann, den Arzt oder die Ärztin auch mal zu wechseln hin zu einem Spezialisten beziehungsweise eine Spezialistin für Psoriasis. Vor allem wenn Betroffene mit Behandlungserfolgen nicht zufrieden sind. Und Sie hatten es vorhin auch schon mal selbst erw ähnt: Es ist leider nicht immer leicht, einen Facharzttermin zu bekommen. Welche Tipps haben Sie denn diesbezüglich für Patient:innen?
Dr. von Kiedrowski [00:14:48] Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den richtigen Arzt zu finden: die Arztsuche des Berufsverbands, den Psoriasis-Bund, Register, und Netzwerke im Internet. Ich selbst bin Teil eines großen Netzwerks im Südwesten, das fünf Bundesländer umfasst und leitliniengerechte Therapie anbietet. Auf der Webseite kann man per Postleitzahl einen entsprechenden Arzt finden. Einen Termin zu bekommen, kann schwierig sein und mit Wartezeiten verbunden sein. Wir können nicht jeden Patienten sofort behandeln, außer bei dringenden Fällen mit Hausarztvermittlung. In meiner Praxis bekommt ein Patient mit entsprechender Dringlichkeit und Hausarztvermittlung normalerweise innerhalb einer Woche einen Termin für eine Erstvorstellung. So können wir das Krankheitsbild beurteilen und die Therapie ableiten. Manchmal sind Voruntersuchungen nötig, aber normalerweise dauert es nicht allzu lange, bis eine Therapie begonnen werden kann. Ich empfehle, sich über Netzwerkstrukturen oder den Psoriasis-Bund eine Praxis zu suchen, wenn die bisherige Behandlung nicht zufriedenstellend ist. Man kann auch mit dem behandelnden Arzt sprechen und die Unzufriedenheit höflich äußern. Gemeinsam kann man besprechen, ob der Arzt jemanden kennt, der die gewünschten Therapien anbietet, wenn er sie selbst nicht anbieten kann oder will. Darin liegt der Sinn von Netzwerkstrukturen: Nicht jeder muss alles anbieten, aber man sollte wissen, wo es weitere Optionen gibt. Im äußersten Fall kann eine Überweisung an eine Klinik erfolgen, auch wenn dies für die Therapie an sich nicht zwingend erforderlich ist.
Angy Caspar [00:17:13] Ich hatte vorhin schon mal angekündigt, dass ich gerne noch mal mit Ihnen genauer über den BVDD sprechen möchte. Und da wäre es großartig, wenn Sie einmal erklären, was es genau mit dem BVDD auf sich hat und wofür er sich einsetzt.
Dr. von Kiedrowski [00:17:27] In den meisten Fachbereichen gibt es ein oder zwei Verbände. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) repräsentiert den wissenschaftlichen Teil, vereint Kliniken und Universitäten und organisiert Wissensvermittlung, Fortbildung und Kongresse. Niedergelassene Ärzte, wie ich selbst, können ebenfalls in der DDG-Mitglied sein. Neben der stationären Versorgung gibt es die ambulante Versorgung, die bei Erkrankungen wie Psoriasis oder Neurodermitis den Großteil der Behandlungen trägt. 2,4 Millionen Psoriasis-Betroffene können nicht in Klinikambulanzen behandelt werden. Dafür braucht es die wohnortnahe, ambulante Versorgung. Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) wurde vor über 70 Jahren als Vereinigung niedergelassener Hautärzte gegründet und ist, wie die Kassenärztlichen Vereinigungen, in Landesverbände organisiert. Der BVDD vertritt die Interessen der niedergelassenen Kollegen, die mit eigenen Abrechnungs- und Verschreibungsregeln sowie Praxisführungsrichtlinien konfrontiert sind – anders als in Kliniken. Neben diesen organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten vertritt der BVDD auch gesundheitspolitische Interessen und Patienteninteressen. Mit Kampagnen zu Hautkrebs oder chronisch entzündlichen Dermatosen bieten wir Patienten Informationen und Aufklärung und stellen die wohnortnahe Versorgung sicher.
Angy Caspar [00:19:34] Dann hatten Sie auch schon in Ihrer Vorstellungsrunde erzählt, dass Sie die Kampagne „bitte berühren“ ins Leben gerufen haben. Die sich für Betroffene mit Psoriasis, Neurodermitis und weiteren chronischen Hauterkrankung einsetzt. Bitte erzählen Sie uns doch noch ein bisschen detaillierter darüber.
Dr. von Kiedrowski [00:19:50] Vor etwa sieben Jahren stellten wir uns die Frage, wie wir das Wissen über moderne Therapien und die Möglichkeiten der Fachgruppe besser an die Patienten kommunizieren können. Wir haben uns mit pharmazeutischen Partnern zusammengesetzt, die alle ihre eigenen Initiativen hatten. Dabei kamen wir zu der – aus meiner Sicht revolutionären – Einsicht, dass es besser ist, Patient-Relation-Kampagnen gemeinsam zu gestalten, anstatt dass jeder Einzelne es versucht. Unabhängig von den jeweiligen Therapieoptionen im Markt, erreichen wir gemeinsam mehr – so wie auch in der Versorgung selbst. Daraus entstand die Kampagne „bitte berühren“ mit ihrer doppelsinnigen Bedeutung. Zum einen sollte die Kampagne auf die starke Beeinflussung von Psoriasis-Patienten durch die Erkrankung in der Öffentlichkeit aufmerksam machen. Zum anderen wollten wir symbolisieren, dass man entzündete Haut berühren darf. Es tut nicht weh. Wir wollten emotionale Nähe schaffen. Die Kampagne übersetzt wissenschaftliches Wissen für Patienten. Wir haben mit Betroffenen gesprochen und Therapieoptionen erklärt, um Patienten so weit zu informieren, dass sie im Arzt-Patienten-Gespräch ihre Wünsche und Erwartungen klar äußern können. Auf der Webseite gibt es sogar einen Ratgeber für das Arzt-Patienten-Gespräch. Damit können Patienten ihre Zeit optimal nutzen und ihre Anliegen und Beschwerden mit dem nötigen Vorwissen komprimiert kommunizieren.
Angy Caspar [00:21:53] Wie würden Sie denn in wenigen Sätzen zusammenfassen, welchen Anspruch Dermatolog:innen an die Versorgung von Menschen mit Psoriasis verfolgen sollten?
Dr. von Kiedrowski [00:22:05] Aus rechtlicher und medizinischer Sicht müssen wir nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand – zu dessen Weiterbildung wir verpflichtet sind – die bestmögliche Therapie anbieten. Ein wichtiger Leitfaden ist die S3-Leitlinie. S3 bedeutet den höchsten wissenschaftlichen Standard und die höchste Evidenz. Die in der Leitlinie beschriebenen Therapieoptionen müssen jedem Patienten, dessen Krankheitsbild dies erfordert, zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein hoher Anspruch, der die Arbeit in der Niederlassung nicht immer einfach macht. Dennoch ist es medizinisch unsere Pflicht und auch unsere Verpflichtung als Kassenarzt. Gerichtsurteile und Regelungen im Sozialgesetzbuch V fordern diesen Facharztstandard, den wir erworben haben, ein. Wir müssen Erkrankungen nach dem aktuellen Stand der Möglichkeiten behandeln.
Angy Caspar [00:23:24] Jetzt haben wir sehr viel über die Leitlinie gesprochen und über die Aspekte der Praxen. Und deswegen ist jetzt meine Frage, ob es vielleicht irgendwas gibt, was sie gerne den Betroffenen noch mit auf den Weg geben möchten.
Dr. von Kiedrowski [00:23:37] Zunächst einmal sollten wir, wie in der Kampagne, Mut machen. Psoriasis ist zwar nicht heilbar, aber im Vergleich zu vielen anderen Erkrankungen hervorragend behandelbar. Fast jeder Patient kann nahezu erscheinungsfrei sein, die Hautoberfläche also keine sichtbaren Zeichen der Schuppenflechte mehr aufweisen. Auch die Gefahr einer Gelenkentzündung oder deren Beeinträchtigung lässt sich gut behandeln. Wir sollten aber auch Verständnis für die Situation der Niedergelassenen aufbringen. Was in der Öffentlichkeit wenig diskutiert wird, sind die sich verschlechternden Rahmenbedingungen in den Praxen, gerade im Vergleich zu Kliniken. Die aktuelle Gesundheitspolitik fördert die Behandlung im Krankenhaus, was Patienten eigentlich nicht wollen. Die Wege werden länger, der Facharzt um die Ecke schwerer erreichbar, weil wir mit einem begrenzten Budget arbeiten müssen. Die Unterfinanzierung des Systems muss geregelt werden. Das fordert auch der Berufsverband von der Politik. Gesundheitsversorgung ist heutzutage extrem wichtig. Wenn diese nicht mehr gewährleistet ist – und die Situation verschlechtert sich seit Jahren – wird das zu großer Unzufriedenheit führen. Die wirtschaftlichen Zwänge, mit 18-19€ pro Quartal auszukommen, egal wie oft ein Patient kommt, machen es vielen Kollegen schwer. Sie müssen Patienten regelrecht "durchschleusen", um die Kosten für Miete, Versorgung und Personal zu decken. Ohne meine Mitarbeiterinnen könnte ich meine Praxis nicht führen. Wir brauchen die Zeit und die entsprechende Honorierung, um Kranke behandeln zu können. Das aktuelle System ist auf Masse ausgerichtet. Die Erkrankung spielt keine Rolle. Es gibt pauschal 20€, was es in manchen Regionen schwierig macht, sich für komplexere Erkrankungen die nötige Zeit zu nehmen. Die Medikamente sind zwar sicher, erfordern aber Aufwand für Laborkontrollen, Gespräche und die Behandlung möglicher Nebenwirkungen. Die Behandlung ist komplexer als nur Salben zu verschreiben – auch wenn es mittlerweile sehr komplexe Salben gibt. Gerade innerliche Behandlungen, bei Patienten mit weiteren Erkrankungen und Medikamenten, sind aufwändig. Mit 20€ pro Quartal ist das für viele kaum zu leisten. Die Forderung, alle müssten solche Medikamente anbieten, ist berufspolitisch richtig, aber in manchen Regionen schwer umzusetzen. Für Patienten bedeutet das, dass es schwierig ist, den richtigen Spezialisten zu finden. Dabei sind alle Dermatologen mit Facharztausbildung auch Spezialisten für chronisch entzündliche Hauterkrankungen.
Angy Caspar [00:27:45] Vielen Dank dafür. Und wir sind tatsächlich auch schon am Ende. Die Zeit ist vergangen wie im Fluge und es macht mir große Freude, Ihnen zuzuhören. Und deswegen frage ich an dieser Stelle noch: Haben Sie noch irgendwas vergessen, was Sie gerne sagen wollten? Oder was Sie unseren Zuhörern denn noch mit auf den Weg geben möchten?
Dr. von Kiedrowski [00:28:02] Also in der Quintessenz: Wir haben gute und sehr gute Medikamente für eine Erkrankung, die für Betroffene und deren Familien – das Motto des diesjährigen Welt-Psoriasis-Tages – einen hohen Einfluss hat und viel vermeidbares Leid verursachen kann. Man sollte das Gespräch suchen und im Zweifelsfall mit dem behandelnden Arzt die richtige Therapie einleiten. Psoriasis ist gut behandelbar und muss keine weiteren Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Haben Sie Mut, bereiten Sie sich gut vor und wenden Sie sich an den richtigen Arzt für die richtige Therapie. Schuppenflechte muss kein großes Leid verursachen.
Angy Caspar [00:28:55] Vielen Dank für diese motivierenden, abschließenden Worte und natürlich dafür, dass Sie heute mein Gast waren, und ich verabschiede mich an dieser Stelle von Ihnen.
Dr. von Kiedrowski [00:29:03] Ja, ich auch. Vielen Dank, Frau Caspar.
Angy Caspar [00:29:04] Vielen Dank. Ja, und ich freue mich, wenn Sie beim nächsten Mal wieder reinhören bei einer neuen Folge von „Schuppenflechte Hilfe“ der Podcast. Weitere Informationen finden Sie darüber hinaus auch auf unsere Webseite www.schuppenflechtehilfe.de. Schauen Sie doch einmal vorbei.
Schön, dass Sie heute mit dabei waren. Wir hoffen, ihn hat die Folge gefallen. Haben Sie vielleicht Themenvorschläge, Wünsche oder Anregungen für uns und diesen Podcast? Dann schreiben Sie uns. In der Podcast Beschreibung finden Sie die Infos dazu, wie Sie uns kontaktieren können.