Gliederung der Podcastfolge:
Angy [00:00:00] Herzlich willkommen zu „Sprich’s aus! Bei MS“. Mein Name ist Angy Caspar und gemeinsam mit meinen Gästen sprechen wir in diesem Podcast über die Krankheit der 1000 Gesichter. Hör rein, wenn du mehr über ihre inspirierenden Geschichten und Erfahrungen zu dem Umgang mit der Erkrankung im Alltag erfahren möchtest. Denn bei MS kann man eine Menge machen. Viel Freude beim Zuhören.
Angy [00:00:33] Herzlich willkommen zu unserer neuen Folge von „Sprich’s aus! bei MS“. Ich freue mich, dass ihr wieder dabei seid. In diesem Podcast sprechen wir über Themen rund um Multiple Sklerose, tauschen Erfahrungen aus und geben Tipps für das Leben mit MS. Heute spreche ich mit Svenja Karsch darüber, warum es so wichtig ist, offen über die Erkrankung zu sprechen, welche Rolle Ernährung, Sport und Bewegung in ihrem Leben spielen und welche Methoden sie gefunden hat, um zu sich selbst zu finden und für sich selbst einzustehen. Schön, dass du dir Zeit genommen hast und heute in unserem Podcast zu Gast bist, Svenja. Herzlich willkommen!
Svenja [00:01:11] Hallo, ich freue mich auch dabei zu sein.
Angy [00:01:14] Ja, ich freue mich sehr, dass wir zu dem Thema Selbstwert bei MS miteinander sprechen können. Stell dich doch bitte ganz kurz vor.
Svenja [00:01:21] Hallo, ich bin Svenja. Ich bin 47 Jahre alt. Ich bin verheiratet und habe zwei erwachsene Söhne. Der eine ist sogar schon ausgezogen. Ich komme aus der Nähe von Stuttgart und bin gelernte Verwaltungsfachangestellte. Ich habe aber dann nach den Kindern umgesattelt, weil mir dieser Beruf eigentlich nie richtig Spaß gemacht hat und habe mich dann im Bereich Kosmetik verwirklichen können. Die ersten Symptome meiner MS traten dann 2008, 2009 auf.
Angy [00:01:55] Dann freue ich mich auf unser Gespräch. Wie du ja gerade schon gesagt hast, hast du seit über 10 Jahren MS. Lass uns nochmal ein bisschen weiter zurückgehen, vor die Zeit, denn ich würde gerne von dir wissen, wie sich damals die ersten Symptome bei dir geäußert haben.
Svenja [00:02:12] Meine ersten Symptome hatte ich – das weiß ich als wäre es gestern gewesen – auf dem Weg in den Urlaub, 2008. Da hatte ich plötzlich ein ganz pelziges Gefühl im Arm und es hat sich irgendwie ganz komisch angefühlt. Ich dachte aber nicht, dass es eine schwere Krankheit sein könnte. Ich dachte eher, dass es ein eingeklemmter Nerv oder ähnliches sei. Es hat sich angefühlt, wie wenn einem der Arm einschläft. Dieses Gefühl hat eine längere Zeit über angehalten und ich habe, wie gesagt, nie daran gedacht, dass eine Krankheit dahinterstecken könnte. Überhaupt nicht.
Angy [00:02:53] Du hast gerade gesagt, dass die ersten Symptome bereits 2008 auftraten und auch, dass du die Diagnose MS vor 10 Jahren erhalten hast. Das hei ßt, es hat dann noch eine ganze Weile gedauert, bis letztendlich MS bei dir diagnostiziert wurde. Wie ging es denn dann von diesem ersten Gefühl, was du auf dem Weg in den Urlaub hattest, bis hin zur Diagnose weiter?
Svenja [00:03:17] Das hat sich sehr gezogen. Der Urlaub war an Pfingsten und ich bin danach auch zum Arzt gegangen, aber die letztendliche Diagnose war tatsächlich erst 2012.
Angy [00:03:33] Hattest du denn zwischendurch auch noch mal irgendwelche Symptome, die du jetzt auf die MS zurückführen kannst?
Svenja [00:03:43] In 2008 bin ich Ende des Jahres zum Arzt gegangen. Erst bin ich zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt gegangen, weil dann auch Gleichgewichtsstörungen bei mir auftraten. Die Ärzte dachten dann zuerst, das käme vom Ohr und es wurden einige Tests gemacht. Dann bin ich zum Orthopäden gegangen… Und nachdem ich über längere Zeit ein pelzig-lahmes Gefühl im Arm gespürt habe und sich dieses Gefühl dann auch über den Bauch bis zum Fuß hin ausgebreitet hat, ging ich dann zum Arzt. Und wie gesagt, ich dachte es sei ein eingeklemmter Nerv. Und nach einigen Tests beim Neurologen letztendlich, schickte mich die Ärztin dann schließlich in eine neurologische Klinik. Ich hatte von ihr eine Überweisung erhalten und auf dieser stand, dass ein Verdacht auf MS besteht. Das hat mich schon geschockt. Als ich letztendlich ins Krankenhaus kam – das war 2009 – wurden dann auch einige Tests gemacht, wie die Lumbalpunktion, sprich die Nervenwasserentnahme, ein MRT und ein CT. Letztendlich kamen die aber auch nicht auf einen Nenner. Es hieß dann, es sei entweder ein Tumor im Halsmark, eine Entzündung im Halsmark oder MS. Ich dachte dann: Okay, was ist jetzt das kleinere Übel? Letztendlich haben sie mir dann eine Stoßtherapie mit Kortison gegeben und daraufhin waren die Symptome alle weg und ich wurde entlassen. Mir wurde dann gesagt, dass jetzt geschaut werden muss, was es genau ist. Wenn keine Symptome mehr auftreten, war es vielleicht nur eine einmalige Geschichte. Falls doch wieder Beschwerden aufkämen, müsse man schauen, was los ist. Ich war dann 2012 mit meinen Freundinnen in New York und nach dieser Woche in New York – wir sind da viel gelaufen, um die Sehenswürdigkeiten abzuklappern – hat mein Bein auf dem Rückflug schon wieder angefangen pelzig zu werden. Ich habe zu der Zeit viel Sport gemacht, ich war viel Joggen und damals war Zumba so angesagt. Ich war mit meinen Freundinnen im Zumba Unterricht und konnte plötzlich meine Beine nicht mehr kontrollieren. Es war total schwierig, die Tanzbewegungen zu machen und meine Beine zu kontrollieren. Ich habe wirklich total die Kontrolle verloren. Ich habe auch einen Hund und war einen Tag später mit ihm spazieren, aber ich konnte plötzlich die Strecken nicht mehr meistern, die ich lief. Normalerweise bin ich immer ungefähr eine Stunde mit dem Hund unterwegs gewesen. Daraufhin bin ich dann wieder zur Neurologin gegangen und die wusste dann auch nicht mehr weiter. Das war eine ganz normale Neurologin bei uns im kleinen Ort und die hat mich dann zu einem Spezialisten für MS überwiesen, weil ja die Vermutung immer noch bestand, dass ich eventuell MS habe. Und in dieser speziellen Praxis hat man andere Untersuchungen machen können. Ich kam dann auch wieder ins MRT und tatsächlich waren da dann Entzündungsherde im Rückenmark zu sehen. Bei vielen MS Patienten, fängt es mit Sehstörungen oder einer Sehnerventzündung oder so an, aber sowas habe ich noch nie gehabt. Also bei mir spielt sich alles im Rückenmark ab und ich habe noch nie Sehstörungen gehabt. Dafür habe ich eben diese Lähmungserscheinungen auf der rechten Seite.
Angy [00:07:32] Wie ging es dir denn dann 2012, als die Diagnose wirklich feststand?
Svenja [00:07:37] Es war natürlich schon ein Schock, aber eigentlich habe ich die MS sofort zum Bestandteil meines Lebens gemacht. Es blieb mir ja nichts anderes übrig. Ich hatte zwei Kinder – sie waren zum Glück schon etwas größer – mit denen konnte man sich schon richtig gut unterhalten. Die waren damals acht und zehn oder zehn und zwölf. Und ich wollte der Krankheit eigentlich nicht so viel Raum geben, weil ich dachte, je mehr die Krankheit von mir einnimmt, umso schwieriger wird es vielleicht. Und mein Mann stand auch hinter mir und hat auch gesagt: „Wir müssen das Beste draus machen. Da müssen wir jetzt alle zusammenhalten.“ Und ich bin schon immer sehr offen mit der Erkrankung umgegangen, weil ich denke, dass ich ja nichts dafürkann, dass ich diese Krankheit habe. Es ist ja nicht so wie bei Alkoholikern und bei Drogenabhängigen, wo man weiß, dass etwas mit deinem Körper passieren kann, wenn man zu viel Alkohol trinkt oder Drogen nimmt. Man weiß, dass es total ungesund ist und macht es trotzdem, das ist dann das eigene Risiko. Als MS-Patient oder Patient mit einer anderen Erkrankung kann ich ja nichts dafür, deshalb gehe ich offen mit der Erkrankung um. Mir ist es lieber, die Leute wissen, dass ich MS und deshalb Gleichgewichtsstörungen habe, als dass sie denken, ich bin vielleicht betrunken oder so, wenn ich mit Gleichgewichtsstörungen beispielsweise aus dem Auto steige. Das gab’s tatsächlich auch schon, obwohl ich fast keinen Alkohol trinke. Wenn ich dann mal was getrunken habe, dann hieß es: „Ah, schau mal! Die Svenja torkelt“, wobei ich nicht betrunken war, sondern eben Gleichgewichtsstörungen hatte. Deswegen gehe ich offen mit der Sache um.
Angy [00:09:35] Hast du dich denn in der Zeit zwischen 2008, wo es das erste Mal aufgetreten ist, und 2012 in irgendeiner Form über MS informiert?
Svenja [00:09:45] Ja klar, da informiert man sich natürlich bei Dr. Google. Im Nachhinein würde ich das natürlich auch nicht mehr machen, weil da schon krasse Sachen drinstehen. Da geht man immer direkt vom Schlimmsten aus. Man hört, dass man MS hat und das erste, was man denkt, ist: „Okay, ich kenn doch jemanden, der auch MS hat, und der sitzt jetzt im Rollstuhl. Und das ist auch mein Schicksal, dass ich irgendwann im Rollstuhl lande.“ Aber so ist es ja nicht. Ich habe mich informiert, ich habe natürlich viel Material von meinem Arzt mitbekommen, der wirklich ein ganz toller Neurologe ist. Ich habe mich auch in Selbsthilfegruppen, über Social Media usw. informiert, wo ich auch ganz tolle Tipps bekommen habe. Und außerdem bin ich auch bei uns im Ort Teil einer Reha-Sportgruppe für MS-Patienten. Da bin ich dann hingegangen und da trifft man natürlich Gleichgesinnte, die verstehen dann, von was man redet und man kann sich auch austauschen. Und ich finde es schon sehr gut sich auszutauschen.
Angy [00:11:00] Ja, und wahrscheinlich ist auch das Gefühl, dass man so von anderen verstanden wird, irgendwie auch schön.
Svenja [00:11:04] Ja, auf jeden Fall. Also gerade die Fatigue – dieser extreme Erschöpfungszustand – kann man eigentlich nur verstehen, wenn man das selbst hat. Viele vergleichen das immer mit: „Ach, ich bin auch müde, ich könnt auch immer schlafen.“ Aber es ist ja nicht nur diese Müdigkeit. Es ist eine permanente Erschöpfung deines Körpers. Du willst eigentlich und der Kopf funktioniert… Bei mir äußert sich die Fatigue dann so, dass mein Körper blockiert und ich total erschöpft bin. Je nachdem was ich mache, wenn ich Hausarbeit mache, staubsauge oder Fenster putze oder so… das kann man sich nicht vorstellen, aber ich putz ein Fenster und bin erschöpft! Dann muss ich mich erst mal eine Stunde ausruhen. Und das kann eigentlich nur jemand verstehen, der wirklich diese Erschöpfung auch erfahren hat.
Angy [00:12:01] Ich gehe da nochmal einen Schritt zurück. Du hast ja gerade schon ganz viel Spannendes erzählt und auch gesagt, dass du relativ schnell, sehr offen natürlich mit deinen Kindern und deinem Mann damit umgegangen bist – also kommunikativ. Wann hast du denn deinem weiteren und auch näheren Umfeld von der Diagnose erzählt?
Svenja [00:12:18] Also engere Freunde, meine Arbeitskolleginnen, und meine Kundinnen wussten ja, dass ich im Krankenhaus war. Ich war krankgeschrieben und eigentlich hat jeder mitbekommen, dass ich dort war. Deswegen habe ich das eigentlich relativ schnell erzählt. Wie gesagt, ich kann da ja nichts für und ich finde es immer besser, man geht offen damit um und redet darüber. Das befreit ja auch total, wenn man darüber redet. So geht es mir zumindest und das ist wahrscheinlich nicht bei jedem so. Aber wenn ich über ein Problem rede, dann kann ich es besser verarbeiten.
Angy [00:12:59] Und wie waren da die ersten Reaktionen?
Svenja [00:13:01] Ach, natürlich Schock. Wenn jemand das noch nicht weiß, und ich erzähle, dass ich MS habe… Manche sind wirklich schon in Tränen ausgebrochen! Zum Beispiel eine Frau, mit der ich immer zeitgleich Gassi gegangen bin, hat mich dann irgendwann mal gesehen und sagte: „Hey, bist du verletzt?“ Und ich sagte dann: „Nee, ich habe MS. Deswegen laufe ich so komisch.“ Sie ist in Tränen ausgebrochen und ihr tat es so leid! Und ich muss dann die Leute trösten. Ich sage immer, es gibt viel Schlimmeres als MS. Also ich denke da an andere tragische Krankheiten, die wirklich schlimmer sind als MS. Und ich finde es dann total süß, wenn die Leute sagen: „Oh mein Gott, es tut mir so leid!“ Dann bin ich diejenige, die sagt: „Jetzt beruhig dich mal wieder, es ist alles gut! Im Kopf geht’s mir ja gut und mein Geist ist fit, es fehlt einfach nur der Körper, der nicht mitmacht.“ Aber auch das kann man hinbekommen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Ich habe so einen tollen Freundeskreis, die ermöglichen mir wirklich, dass ich alles mitmachen kann.
Angy [00:14:13] Du hast ja gerade von diesen Reaktionen gesprochen. Was mich auch immer interessiert ist, ob die Menschen über MS Bescheid wissen. Oder ist es vielleicht auch manchmal eine Unwissenheit, auf der die Reaktionen beruhen?
Svenja [00:14:28] Ja, die meisten wissen natürlich nicht viel über MS. Also meine Freunde schon. Aber das weitere Umfeld, die mich nicht so gut kennen, wissen nicht viel über MS. Die meisten denken, MS sei Muskelschwund. Das habe ich früher auch mal gedacht, dabei hat das damit nichts zu tun. Und wenn ich dann sage: „Nee, MS ist eine Krankheit des zentralen Nervensystems und da gibt es Vernarbungen im Gewebe.“ Dann sagen die meisten: „Ach so, ich dachte, das ist Muskelschwund.“ Also viele wissen nicht, was MS ist. Die hören mir aber dann auch wirklich gern zu und stellen mir Fragen. Und ich finde es toll, wenn die Leute so neugierig sind. Viele fragen mich dann: „Möchtest du überhaupt darüber reden?“, aber ich habe da überhaupt kein Problem mit und kläre sie gerne auf. Ich finde es wichtig, dass man die Krankheit besser kennenlernt. Ich habe momentan das Gefühl, dass es irgendwie eine Art Modeerkrankung ist – man hört auch im eigenen Umfeld immer wieder: „Ah, ich kenne auch jemanden, der hat MS!“… Und deswegen finde ich es schon wichtig, dass man offen über die Krankheit redet und dass man auch andere aufklärt.
Angy [00:15:53] Gab es denn auch die eine oder andere Situation, die dir irgendwie negativ in Erinnerung geblieben ist oder die Unverständnis bei dir hervorgerufen hat?
Svenja [00:16:02] Nein, das hatte ich überhaupt nicht, eher im Gegenteil. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich komisch angeguckt wurde. Ich hatte nur positive Erfahrungen, wirklich.
Angy [00:16:28] Das freut mich sehr zu hören.
Svenja [00:16:30] Ich hatte gestern erst wieder dieses Erlebnis... Ich habe mich mit einer Freundin getroffen. Wir haben uns schon ewig nicht mehr gesehen und ich habe mich in Stuttgart mit ihr getroffen. Ich bin dann mit dem Auto nach Stuttgart und bin ins dritte Untergeschoss vom Parkhaus gefahren. Als ich zum Ausgang kam, stand da plötzlich: „Aufzug außer Betrieb“ – und ich war im dritten Untergeschoss! Bei mir ist es so: Ich kann wirklich nicht gut gehen. Ich habe eine Gehstrecke von vielleicht 100 Metern und dann ist Ende im Gelände. Und Treppensteigen ist für mich ganz schwierig. Also stehe ich da unten im Parkhaus und überlege schon, ob ich einfach wieder rausfahre und mir woanders einen Parkplatz suche. Und da möchte ich jetzt auch einmal sagen, dass ich das echt unmöglich finde, dass nicht schon oben am Parkscheinautomat die Info steht, dass der Aufzug außer Betrieb ist. Aber an sowas denken anderen Menschen gar nicht mehr, wenn sie gesund sind und normal laufen können. Lange Rede, kurzer Sinn! Ich stand dann da und war ein bisschen verzweifelt. Ich hatte aber einen Gehstock dabei und habe eine elektronische Fußhebeorthese an meinem Bein. Die gibt einen Impuls, damit der Fuß gehoben wird, wodurch ich besser gehen kann. Also wackelte ich die Treppen hoch – ganz langsam. Hinter mir war einen Mann, der mich dann anguckte und sagte: „Oh Gott, kann ich Ihnen irgendwie helfen? Soll ich Sie hochtragen?“ Das fand ich so witzig. Und so viel zu deiner Frage „Hattest du schon mal schlechte Erfahrungen“. Nee, ich habe immer nur Positives erlebt. Ich bin auch ein positiver Mensch, vielleicht ist es auch die Ausstrahlung. Ich muss dann meistens lachen und sage: „Nee, es sieht nur schlimm aus. Ich komm schon irgendwann an, aber es dauert halt.“ Ich finde das total nett.
Angy [00:18:33] Ja, das ist eine wirklich schöne Geschichte.
Svenja [00:18:35] Ja, wirklich. Und ganz aktuell von gestern.
Angy [00:18:42] Gab es dennoch am Anfang vielleicht auch die eine oder andere Situation, wo du zum Beispiel Treffen oder Aktivitäten aufgrund der MS absagen musstest?
Svenja [00:18:51] Nicht musste, aber wollte. Und ich hatte so eine Phase – das war vielleicht vor anderthalb Jahren – da ging’s mir irgendwie körperlich immer schlechter. Ich habe einen tollen Freundeskreis, wie schon gesagt. Die nehmen mich überall mit hin und die ermöglichen mir wirklich viel. Aber da hatte ich so eine Phase… Ich hatte für ein Treffen zugesagt und der Tag kam, die Stunde rückte immer näher… Zehn Minuten vorher habe ich angerufen, eine WhatsApp geschrieben und habe gesagt: „Nee, Leute, ich komm nicht mehr mit.“ Und da konnten die mich auch nicht umstimmen. Ich dachte irgendwie schon so: „Ach, ich kann eh nicht tanzen. Warum soll ich mir das angucken, wie die anderen auf der Tanzfläche sind?“ Das war vor der Corona Zeit – vielleicht so vor zwei Jahren. Ich wollte nicht dasitzen und den anderen zugucken, wie sie Spaß haben. Da konnte ich eine Zeit lang nicht mit umgehen. Ja, ich hätte mitgehen können – klar, aber ich wollte das damals nicht machen. Das ist jetzt vorbei. Ich habe mich wieder im Griff.
Angy [00:20:01] Und wie war das damals für deine Freunde, dass du halt aufgrund von Unwohlsein und aufgrund der MS diese Verabredung abgesagt hast?
Svenja [00:20:10] Sie haben mich verstanden, aber weil sie mir wirklich immer alles ermöglichen möchten, haben sie mir gesagt: „Jetzt reiß dich mal zusammen!“ Also sie haben mich nicht betüddelt. Und ich finde das auch wirklich toll, dass die nicht dastehen und mir den Kopf streicheln und sagen: „Ach, du Arme“. Nee, nee... die treten mir eigentlich eher in den Hintern und sagen: „Jetzt stell dich mal nicht so an, geh jetzt mit!“, und da kann ich auch gut mit umgehen. Es gibt ja auch Menschen oder andere MS-Betroffene, die damit nicht gut umgehen können. Aber ich kann besser damit umgehen, wenn man auch mal zu mir sagt: „Jetzt stell dich mal nicht so an!“
Angy [00:20:50] Du hast ja jetzt gerade schon von ganz vielen positiven Dingen berichtet und hast auch gesagt, dass du da keine negativen Erfahrungen gemacht hast. Dennoch möchte ich gerne wissen, ob es irgendwas gibt, was du dir von deinem Umfeld anders oder einfach gewünscht hättest.
Svenja [00:21:04] Da kann ich jetzt gar nichts sagen, was ich mir anders gewünscht hätte. Ich finde es toll, wie sie mit mir umgehen und umgegangen sind, auch damals auf jeden Fall. Ich wünsche mir gar nichts anderes.
Angy [00:21:17] Wie schön, das ist jetzt schon eine ganz inspirierende Unterhaltung für mich.
Svenja [00:21:22] Sehr schön.
Angy [00:21:22] Du hast eben auch schon erzählt, dass du Mama von 2 Kindern bist und auch gesagt, wie alt deine Kinder waren, als du die Diagnose bekommen hast. Wie hast du es denn damals deinen Kindern erzählt? Und wie war ihre Reaktion?
Svenja [00:21:40] Also ehrlich gesagt habe ich gar nicht wirklich mit denen darüber gesprochen. Das ist etwas, was ich jetzt anders machen würde. Ich wollte nicht die Schwache sein. Ich wollte auch nicht, wie vorhin gesagt, der Krankheit so viel Raum geben. Ich wollte nicht die kranke Mama sein, die Mama mit MS, auf die alle Rücksicht nehmen müssen. Nein, ich war schon immer eine Kämpfernatur und ich wollte eigentlich immer die Starke sein. Ich habe anfangs gar nicht mit meinen Kindern darüber gesprochen. Das hat mein Mann im Stillen gemacht. Dadurch, dass es zwei Jungs sind, haben die Kinder ein tolles Verhältnis zu ihrem Papa. Und der hat es ihnen dann erklärt. Ich habe das gar nicht gemacht. Und das ist etwas, was ich jetzt anders machen würde. Ich würde meinen Kindern offener gegenübertreten, glaube ich. Manchmal gab es schon Situationen, die ich nicht mitmachen konnte, weil ich eben nicht lange laufen konnte. Zum Beispiel ein Ausflug in der Schule oder so, da konnte ich nicht mit und habe immer eine Ausrede gesucht. Das würde ich jetzt anders machen.
Angy [00:22:58] Und du hast ja gerade gesagt, dass dein Mann es deinen Kindern erzählt hat. War das, sage ich mal, eine heimliche Geschichte, dass er es gemacht hat, und du wusstest nichts davon?
Svenja [00:23:08] Ja, ich habe dann irgendwann mal zu ihm gesagt: „Ich glaub, wir müssen jetzt mit den Kindern reden, und denen das richtig erklären!“ Dann hat er gesagt: „Du glaubst doch nicht, dass ich das noch nicht gemacht habe. Es ist alles schon erledigt.“ Und ich muss sagen, meine Kinder sind auch echt hilfsbereit. Wir haben einen älteren Sohn, der ist jetzt 24 und ist schon ausgezogen, der jüngere Sohn ist 21. Und es ist egal, wann ich Hilfe brauche – auch ohne Worte irgendwie. Wenn ich einkaufen bin, dann kommt der Jüngste raus, trägt den Einkauf rein und hilft mir, ohne dass ich was sagen muss. Das ist richtig schön. Und mein Älterer auch. Der sagt auch jedes Mal: „Wenn irgendwas ist, dann ruf einfach an.“ Klar.
Angy [00:24:03] Und gab es denn irgendwann noch ein Gespräch, also im Laufe der letzten zehn Jahre? Oder ist es eigentlich mehr oder weniger von deiner Seite aus unausgesprochen?
Svenja [00:24:13] Nein, also ein Gespräch jetzt speziell über die MS gab es nicht. Aber wenn irgendwas ist, dann rede ich da schon offen drüber. Mit meinem Sohn, der noch zu Hause wohnt, und seiner Freundin – die Freundin hat auch eine Tante, die MS hat – habe ich letztens ganz offen darüber geredet, wie es bei der Tante ist, was ihr hilft und ob mir das vielleicht auch helfen könnte. Aber jetzt, so speziell über die Krankheit sprechen wir nicht.
Angy [00:24:46] Glaubst du, dass das auch irgendwie, sage ich mal, eine Auswirkung auf deine Kinder hatte? Also eine Mutter zu haben, die MS hat und damit auch aufzuwachsen…
Svenja [00:24:58] Ich glaube nicht. Also, ich hoffe es nicht.
Angy [00:25:01] Das kann ja auch positiv sein.
Svenja [00:25:03] Ja, das stimmt, aber ich kann es mir nicht vorstellen.
Angy [00:25:07] Du hast vorhin auch schon erzählt, dass du damals viel Sport gemacht hast, als die Diagnose kam. Und deswegen möchte ich kurz mit dir ein bisschen darüber sprechen, wie wichtig es für dich ist, auch einen Ausgleich zu schaffen, um Stress zu reduzieren und den Kopf freizubekommen. Was tut denn dir und deiner mentalen Verfassung generell gut?
Svenja [00:25:30] Also ich bin immer noch dabei, obwohl ich jetzt natürlich nicht mehr so sportlich unterwegs bin oder sein kann, wie ich es gern wäre. Aber auf jeden Fall braucht man was, um einfach beweglich zu bleiben. Das ist ganz wichtig. Bei einer MS rostet man immer so ein bisschen ein, wegen der Spastiken, die man hat. Ich brauche Yoga, zum Beispiel. Das tut mir total gut. Natürlich kann ich nicht die Yoga-Übungen machen, die ein gesunder Mensch machen kann, aber ich mache eben das, was bei mir geht und was mir guttut. Vor allem auch Meditation finde ich ganz wichtig, um gerade den Stress zu reduzieren. Bei MS sollte man eigentlich keinen Stress haben. Aber letztendlich ist man trotzdem auf eine gewisse Weise im Stress – tagtäglich. Und ich finde Yoga und Meditation total genial, um das zu reduzieren. Was mir auch ganz guttut, ist die Power Plate. Ich weiß nicht, ob du das kennst? Das ist eine Vibrationsplatte, auf der man Übungen machen kann und das geht eben in das Nervensystem und in die Tiefenmuskulatur. Damit kann man ganz tolle Übungen machen. Ich mache das ein- bis zweimal die Woche. Man hat dann 30-minütige Einzeltrainings und das ist etwas, was mir guttut. Damit kann man zum Beispiel auch gut sein Gleichgewicht trainieren. Das ist ganz wichtig, weil die Muskulatur und Beweglichkeit aufgebaut und gekräftigt wird. Und ich kann es jedem nur raten. Natürlich ist man manchmal zu faul oder hat keine Lust, aber letztendlich ist es dann doch toll, wenn man Sport gemacht hat und man weiß, dass es dem Körper einfach guttut.
Angy [00:27:34] Und hast du schon Yoga und Meditation gemacht, bevor die Diagnose gestellt wurde?
Svenja [00:27:41] Yoga schon, Meditation nicht. Yoga mache ich eigentlich schon lange. Und gerade zu der Zeit, als ich so viel Sport gemacht habe, habe ich auch Zumba gemacht. Aber da war Yoga eigentlich auch immer dabei. Und auch die Power Plate.
Angy [00:27:56] Wie bist du dann zur Meditation gekommen?
Svenja [00:27:58] Über das Yoga, denn Meditation gibt es ja bei dieser Yoga-Abschlussentspannung. Und ich habe auch viele Plattformen genutzt, wie z.B. YouTube oder Spotify – da gibt es viele tolle Meditationen.
Angy [00:28:18] Und Ernährung ist ja auch so ein wichtiges Thema, also für alle...
Svenja [00:28:22] Ja, total.
Angy [00:28:24] Da möchte ich auch noch mal kurz mit dir drüber sprechen und auch da gerne wissen: Wie wirkt sich denn generell deine Ernährung auf dein Energielevel aus? Machst du da irgendwas bestimmtes oder worauf achtest du?
Svenja [00:28:39] Auf meine Ernährung habe ich – auch schon vor der Diagnose – immer geachtet. Aber seit der Diagnose bemerke ich erst mal richtig, was mir guttut und was nicht. Es ist wirklich extrem. Ich praktiziere dieses „Clean Food“.
Angy [00:28:55] Vielleicht kannst das kurz für alle erklären?
Svenja [00:28:57] Genau, das bedeutet quasi nichts Verarbeitetes zu essen und alles frisch zu machen. Da isst man Nüsse, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, gute Kohlenhydrate wie Haferflocken, Reis oder Kartoffeln und das macht extrem viel aus – bei mir zumindest. Ich ernähre mich vorwiegend so und ich esse auch wenige tierische Produkte. Aber ich bin keine Veganerin oder Vegetarierin. Wenn mir danach ist, und ich jetzt mal ein Stück Fisch oder Fleisch essen möchte, esse ich das auch! Ich schaue aber natürlich, dass es eine gute Qualität hat und mache es eigentlich immer frisch. So Fertigprodukte habe ich früher manchmal gekauft und habe damit gekocht… Aber das mache ich jetzt eigentlich nicht mehr. Wenn ich irgendwo eingeladen bin, bin ich aber recht unkompliziert. Ich esse dann schon alles und bin nicht wählerisch. Aber wenn ich selbst koche und zu Hause meine Sachen zubereite, dann ist es immer frisch. Und das muss man mal wirklich ausprobieren. Man ist weniger träge, die Verdauung funktioniert viel besser und man fühlt sich einfach fitter und leichter, wenn man nicht so viele Kohlenhydrate isst. Weißmehlprodukte und Zucker sind auch extrem. Ich esse schon ganz lange keinen Zucker mehr oder nur wenig Zucker. Beim Pizzateig zum Beispiel steht, dass ein Teelöffel Zucker reingehört – das mache ich einfach nicht. Solche Sachen reduziere ich einfach und das macht ganz viel aus. Außerdem kann es jeder ja mal ausprobieren. Das tut nicht weh, sag ich immer. Probiert es einfach mal! Und es kann jeder dann selbst entscheiden, ob es was für ihn ist oder nicht. Mein Mann zum Beispiel, der braucht dann schon ein Stück Fleisch oder jammert schon mal, wenn es wieder Gemüse oder Kichererbsen gibt. Ich koche ihm dann natürlich auch etwas, was er mag. Bloß weil ich das so esse, muss er sich ja nicht auch so ernähren – genauso bei meinen Kindern. Aber ausprobieren sollte man es! Es ist wirklich ganz toll.
Angy [00:31:30] Du hast ja auch gerade gesagt, dass du auch schon lange so lebst, bezogen auf deine gesunde Ernährung. Hast du manchmal dennoch den Eindruck, dass du auf irgendwas verzichten musst?
Svenja [00:31:41] Nee, wenn mir nach was Bestimmtem ist, dann esse ich es einfach. Mir tut es dann aber nicht gut und ich muss vielleicht am nächsten Tag oder die nächsten Tage dafür büßen. Aber ich bin schon „straight“, und wenn ich mal mit Pizza, Pasta oder sonst irgendwas gesündigt habe, dann schau ich eben die nächsten Tage, dass es wieder korrekt läuft.
Angy [00:32:03] Und wenn du sagst, „du musst die nächsten Tage büßen“… was genau heißt das?
Svenja [00:32:08] Ich bekomm dann sofort Wassereinlagerungen. Also ich merke es dann extrem am Lymphsystem oder bin träge und müde. Das ist besonders extrem, finde ich, wenn ich gerade viele Weißmehlprodukte oder viel Zucker esse. Neulich war ich auf einer Taufe und habe ganz normal mitgegessen. Da war ich am nächsten Tag einfach gerädert.
Angy [00:32:31] Gehen wir noch mal zurück zu dem, was du auch in deiner Vorstellung gesagt hast. Nämlich, dass du irgendwann als Kosmetikerin gearbeitet hast, nachdem du festgestellt hattest, dass dir dein ursprünglicher Job keine Freude gemacht hat. Wie hat sich denn die Erkrankung auf deinen Job als Kosmetikerin ausgewirkt?
Svenja [00:32:51] Ich war früher im Hand- und Fußpflegebereich tätig. Also ich war im Nagelstudio, habe Fingernägel, Fußnägel, Wimpern-Extensions und Enthaarungen gemacht und dafür braucht man eine extreme Feinmotorik. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass diese filigrane Arbeit immer schwieriger wird. Und dann kam Tag X, das war vor fünf Jahren. Da konnte ich einfach meiner Kundin die Nägel nicht mehr fertig machen. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass es so schwierig sein kann, Nägel zu feilen und zu lackieren. Aber ich hatte in den Händen keine Kraft mehr und auch keine Feinmotorik und fing an zu zittern. Und das geht eben nicht. Auch wenn ich die Augenbrauen der Damen richte und zupfe oder was an den Wimpern mache, dann braucht man eine ruhige Hand. Eben diese Feinmotorik fiel von jetzt auf gleich weg, und ich konnte das nicht mehr. Mir dann bewusst zu machen, dass es nicht mehr geht, war mein Herzensbrecher. Ich hatte mein Hobby zum Beruf gemacht, so kann man das eigentlich erklären… Mir hat es immer so viel Spaß gemacht und wir waren ein so tolles Team... Dann zu realisieren, dass es nicht mehr geht, war wirklich richtig schlimm. Und wie gesagt, das ist jetzt 5 Jahre her. Ich bin dann von jetzt auf gleich im Salon weggefallen und es ist heute noch schlimm für mich. Ehrlich, ich habe jetzt noch ein super Verhältnis mit meiner früheren Chefin, wir sind mittlerweile auch Freundinnen geworden. Wir haben 15 Jahre zusammengearbeitet und haben uns blind verstanden. Ich habe jetzt noch ein super Verhältnis zu ihr, aber mir fehlt noch heute mein Job und meine Kunden. Wie soll ich sagen… Die Kundinnen sind schwanger geworden – mit mir sozusagen – wir haben das Kind geboren und wir haben das Kind aufgezogen. Ich habe alles mitbekommen: Scheidungen, Trennungen, Heirat oder sonst irgendwas. Und es war so schön! Auf einmal fällt alles weg und die Seifenblase platzt – und du kannst deinen Traumberuf nicht mehr ausüben. Das ist nicht schön, wirklich nicht.
Angy [00:35:23] Wie hast du denn gelernt, damit umzugehen?
Svenja [00:35:26] Ich habe wirklich immer geschaut, was ich will. Ich musste eine Alternative finden, einen Job, den ich trotz meines körperlichen Zustandes noch machen kann. Und dann bin ich in die Aromatherapie gerutscht. Das macht mir total viel Spaß. Es ist auch so ein kleines Hobby von mir die Aromatherapie. Da kann man ganz viel unterstützen, z.B. im Gesundheitsbereich oder auch im Kosmetikbereich. Da hängt jetzt mein Herz dran und es ist genau das, was ich gesucht habe. Wieder ein Hobby, das mir Spaß macht, das ich machen kann. Genau – man braucht eben eine Alternative und die habe ich jetzt gefunden.
Angy [00:36:07] Und wie war die Reise bis dahin? Wie bist du überhaupt darauf gekommen?
Svenja [00:36:12] Also wir haben in den Salons früher viel mit Aromatherapie gemacht – bei kosmetischen Behandlungen oder bei Massagen oder so. Aroma macht ja ganz viel mit einem. Es gibt den olfaktorischen Nerv, der ins Gehirn führt und der setzt Emotionen frei. Es ist dir vielleicht auch schon mal so gegangen, dass dich ein Geruch an eine ganz tolle Situation erinnert – oder auch an eine negative Situation. Also du kannst wirklich die ätherischen Öle nutzen, um deine Emotionen zu leiten – und eben auch im kosmetischen Bereich. Ich bin dann über Instagram auf eine Firma gestoßen und habe mich darüber informiert. Dann habe ich mir da die Sachen gekauft und fand es total toll. Und ja, das macht mir jetzt Spaß. Es ist so ein kleines Hobby von mir: meine ätherischen Öle. Und dadurch, dass ich sie früher schon im Salon eingesetzt habe, wusste ich, was sie eigentlich bewirken können. Mir tut es auch in Kombination mit meiner Ernährung und dem Sport gut. Für mich passt es einfach super gut.
Angy [00:37:17] Und dennoch unterstelle ich jetzt mal, dass es ja auch immer eine mentale Komponente gibt, um sich sozusagen von dem alten Job zu verabschieden, sich auf was Neues einzulassen und auch etwas zu finden. Welchen Tipp hast du denn da gegebenenfalls für unsere Zuhörenden, den du vielleicht von dir ableiten kannst?
Svenja [00:37:34] Oh, das ist eine schwierige Frage! Ich kann nur den Tipp geben: Egal was man macht – vielleicht fährt man gerne Fahrrad, töpfert gerne, malt gerne oder mag sowas wie Gärtnern, Stricken, Nähen, ganz egal – die Hauptsache ist, dass man Freude dabei hat und einem das Herz wieder auf geht. Und ja, das ist eigentlich der Tipp: Sucht euch was fürs Herz!
Angy [00:38:00] Ja, es wirkt auf mich auf jeden Fall so, Svenja, dass du sehr im Reinen mit dir bist, offen mit deiner MS umgehst und wie bewusst du dir auch deiner selbst bist. Gibt es denn auch noch etwas, was du unseren Zuhörer:innen in Bezug auf das Thema Selbstwert mit auf den Weg geben möchtest, um positiv in die Zukunft zu schauen?
Svenja [00:38:20] Man weiß ja nie, was im Leben noch passiert. Und ich denke man sollte für das, was man hat, dankbar sein. Ich sage immer: „Ich habe ein tolles Dach über dem Kopf, ich habe ein Haus, ich habe eine tolle Familie, und ich kann noch viel machen. Ich kann durch die MS nicht mehr alles machen, aber es gibt weitaus schlimmere Krankheiten.“ Sei dankbar für das, was du hast. Also so bin ich. Ich bin dankbar dafür, dass ich noch gehen kann – langsam und nicht lange – aber ich kann es noch. Ich kann auch noch Auto fahren. Ich kann viele Sachen noch machen, und die mache ich auch. Was ich nicht mehr machen kann, das mache ich dann eben nicht. Man sollte dankbar sein für das was, man kann.
Angy [00:39:06] Du hast ja eben auch erzählt, dass du Yoga und Meditation machst. Gibt es denn da vielleicht noch irgendwelche anderen Dinge, Strategien, Methoden oder irgendwas, was du dir in den letzten Jahren zunutze gemacht hast, um noch besser mit der Krankheit umzugehen?
Svenja [00:39:23] Also mir hilft es wirklich Stress zu entzerren und das mache ich durch Meditation und Yoga. Und es gibt noch so eine Klopftechnik, aber die ist ein bisschen esoterisch. EFT nennt sich das.
Angy [00:39:37] Also ich unterstelle mal, dass die, die uns zuhören – egal ob mit oder ohne MS – sich erstmal alles anhören möchten und danach selbst entscheiden, ob es was für sie ist. Also erzähl gerne was davon.
Svenja [00:39:49] Okay, also die EFT, Emotional Freedom Technique, ist eine Art Klopftechnik. Da klopft man die Akupressur-Punkte am Kopf, am Brustkorb und unter den Achseln ab und sagt so Affirmationen wie: „Ich bin dankbar für das, was ich noch habe“ oder zum Beispiel „Ich bin selbstbewusst“. Wenn man die Sätze sagt, klopft man sich gleichzeitig auf die Punkte. Da gibt es zum Beispiel auch ganz gute Videos auf YouTube, wenn es jemanden interessiert. Dadurch kann man Ängste oder Stress abbauen und sich besser fühlen. Mir tut es gut. Wenn ich unsicher bin, wenn ich Angst habe, dann klopf ich meine Punkte. Es hört sich immer total irre an und mein Mann denkt dann auch: „Oh, was macht die denn jetzt schon wieder?“, aber mir tut es gut und warum soll ich es dann nicht machen? Ich sage ihm, es tut nicht weh und wer das nicht sehen will, soll weggucken. Mir hilft es.
Angy [00:40:55] Ich kenne das schon, denn ich bin auch Coach und da wendet man das auch an…
Svenja [00:40:59] Ja, genau.
Angy [00:41:01] Du hast auch gerade von Affirmationen gesprochen. Manche nennen das auch „Mantra“ oder einen „Glaubenssatz“. Welchen hast du denn da so für mich? Oder welche? Das sind ja meistens mehrere, die man so benutzt.
Svenja [00:41:14] Ja, ich habe so einen Lieblingsspruch. Das hat jetzt nicht wirklich mit Affirmation zu tun, aber ich finde den Spruch ganz toll: „Genieße die Zeit, denn du lebst nur jetzt und heute. Morgen kannst du gestern nicht nachholen. Und später kommt früher, als du denkst.“ Wenn man darüber nachdenkt, ist es total wahr: Genieße dein Jetzt und Hier und sei dankbar für das, was du hast und nimm alles mit, was du bekommen kannst.
Angy [00:41:44] Ja, das wäre eigentlich auch ein schönes Schlusswort gewesen. Aber ich habe noch eine Frage: Was ist denn für dich die wichtigste Erfahrung, die du durch die MS gemacht hast und die du gerne noch mit unseren Zuhörer:innen teilen möchtest?
Svenja [00:41:59] Das ist eine schwierige Frage. Ich finde es toll zu merken, dass man so eine tolle Familie hat und so tolle Freunde. Das, finde ich, ist eine ganz besondere Erfahrung. Ja, aber ansonsten ist es wie gesagt so: Ich habe keine negativen Erfahrungen gemacht. Und dafür bin ich dankbar.
Angy [00:42:23] Ja, ich glaube, es sind auch manchmal diese kleinen Dinge, die so wichtig sind und auf die man im Alltag manchmal viel zu wenig guckt. Das, was du gerade gesagt hast mit der Familie und „Ich habe tolle Freunde, die halten zu mir.“ Oder dieser Mann auf der Treppe, der dich da gestern tragen wollte, weil die anderen gar nicht darüber nachdenken, dass es vielleicht für irgendjemanden eine Herausforderung sein könnte, wenn der Aufzug nicht funktioniert.
Svenja [00:42:46] Ja, genau.
Angy [00:42:47] Ja, liebe Svenja, ich danke dir ganz, ganz herzlich für unser Interview. Es hat mir sehr viel Freude bereitet und mich auf jeden Fall wieder inspiriert. Schön, dass du dabei warst.
Svenja [00:42:59] Ja, ich bedanke mich auch recht herzlich. Es hat mir total viel Spaß gemacht, bei eurem Podcast dabei sein zu dürfen. Und ich habe jetzt noch einen kleinen Tipp für alle, die zuhören: Achte auf deinen Körper und auf dich und mach die MS zu deinem Freund, nicht zu deinem Feind. Und was ich auch wichtig finde: Tu was dir guttut und das viel und oft.
Angy [00:43:21] Ja, vielen Dank. Wir hoffen sehr, dass euch diese Folge gefallen hat und ihr einige Tipps mitnehmen konntet. Und schön, wenn ihr bei der nächsten Folge wieder dabei seid.
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