Folge 21: Unterstützung in der Selbsthilfegruppe und Aufklärung über „Mamas Bauchmonster“

Unterstützung in der Selbsthilfegruppe und Aufklärung über „Mamas Bauchmonster“

In dieser Podcastfolge nimmt Eva noch einmal das Thema Selbsthilfe auf. Sie redet mit Andrea über deren Gründe, warum sie Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe gesucht hat und wie es dazu kam, dass Andrea heute diese Gruppe leitet.

Außerdem sprechen beide über Andreas Buchprojekt „Mamas Bauchmonster“ und warum man Kinder, deren Eltern eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa haben, unbedingt darüber aufklären sollte. Viel Spaß beim Anhören.
(EM-160497)

Teilnehmer:innen

Eva

„Mein Name ist Eva. Als ich die Diagnose Morbus Crohn erhalten habe, war das am Anfang wirklich eine Herausforderung für mich. Vieles in meinem Leben hat sich seitdem verändert. Heute kann ich sagen, dass ich gelernt habe, mit dem Morbus Crohn umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen. Das war allerdings nicht immer so. Nach meiner Diagnose wusste ich nicht so recht, wie ich kommunizieren soll, dass ich an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leide.

Das Schreiben hat mir dabei geholfen, alles zu verarbeiten. Gleichzeitig kann ich anderen dabei helfen, mit der neuen Situation umzugehen, indem ich meine Geschichte öffentlich mache.

Ich möchte über chronisch-entzündliche Darmerkrankungen aufklären und anderen Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind. Zusammen mit Janssen trete ich für eine offene Kommunikation über CED ein – dafür engagiere ich mich im Rahmen der Aufklärungskampagne ‚Einfach sagen, was dahintersteckt.

"So führen wir beispielsweise regelmäßige Interviews mit Betroffenen, Angehörigen, Ärzt:innen und Psycholog:innen rund um die Colitis ulcerosa und den Morbus Crohn. Wir sprechen aber auch über die Erkrankung selbst und über Ernährung, Sport oder Reisen mit CED – eben alle Themen, die dazugehören. Die Gespräche findest du hier auf der Seite im Podcast- oder Videoformat.

Andrea

Andrea arbeitet als Anästhesie- und Intensivkrankenschwester, als sie 2010 die Diagnose Morbus Crohn erhält. Die Krankheit beeinflusst das Leben der heute zweifachen Mutter und ihrer Familie zunächst sehr. Obwohl Andrea durch ihre Arbeit im Krankenhaus mit schweren Krankheitsverläufen vertraut ist, fühlt sie sich mit der Diagnose ihrer eigenen Erkrankung am Anfang überfordert.

Die Unsicherheit wirft viele Fragen auf und mit der Unterstützung ihres Mannes entschließt sie sich schließlich dazu, eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Hier findet sie Antworten auf viele ihrer Fragen und Gleichgesinnte zum Austausch. Heute leitet Andrea diese Gruppe und gibt ihr Wissen an andere weiter.

Doch hier endet ihr Engagement nicht. „Warum spielt Mamas Bauch verrückt?“ Inspiriert von den vielen Fragen ihres kleinen Sohnes veröffentlicht Andrea 2017 das Kinderbuch „Mamas Bauchmonster“. Einfühlsam erklärt sie darin kindgerecht, was es mit dem Bauchmonster auf sich hat und wie die ganze Familie damit am besten umgeht. Dies nimmt die Angst vor dem Unbekannten und gibt Sicherheit.

Selbsthilfegruppe Gehrden/Hannover
Instagram „Mamas Bauchmonster“
YouTube „Mamas Bauchmonster“

Über den Podcast

Inhaltsverzeichnis

(00:00 – 00:35) Intro und Begrüßung von Andrea, unserem heutigen Gast
(00:35 - 01:03) Andrea stellt sich vor
(01:03 – 03:14) Andrea berichtet über ihre Diagnose, die ersten Erfahrungen mit der Morbus Crohn-Erkrankung sowie erste Kontakte mit der Selbsthilfe
(03:14 – 04:41) Andrea spricht darüber, wie sich der Umgang mit der Erkrankung im Laufe der Zeit positiv verändert hat.
(04:41 – 08:10) Welche Erwartungen hat Andrea an die Selbsthilfe gestellt? Welche Vorteile hat die Selbsthilfe aus ihrer Sicht und warum hat sie ihr schließlich geholfen.
(08:10 – 10:31) Aus welchen Gründen hat Andrea die Leitung der Selbsthilfegruppe übernommen?
(10:31 – 14:15) Andrea erzählt, was ihre Gruppe auszeichnet und wie potenzielle neue Mitglieder in die Gruppe aufgenommen werden. Außerdem gibt sie Tipps, worauf man bei der Auswahl einer SHG achten sollte.
(14:15 – 16:03) Eva gibt weitere Informationen, wie man Selbsthilfegruppen generell finden kann.
(16:03 - 17:17) Ziele, die Andrea mit ihrer Aufklärungsarbeit und der Gruppe verfolgt?
(17:17 – 21:38) Andrea berichtet über die Entstehung ihres Buches „Mamas Bauchmonster“ und warum die Aufklärung von Kindern so wichtig ist.
(21:38 – 22:39) Andrea spricht über ihre Zukunftspläne mit der SHG und welche Ideen sie mit dem „Bauchmonster“ auf internationaler Ebene verfolgt.
(22:39 - 24:42) Zum Abschluss gibt es noch ein paar wertvolle Ratschläge.

Transkript Folge 21:

Eva [00:00:00] Hi und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Klartext. Ich freue mich heute, Andrea begrüßen zu können. Sie ist zugeschaltet und wir werden uns heute mit dem Thema Selbsthilfe auseinandersetzen und dazu sprechen, da Andrea dort auch sehr aktiv ist und ein ganz spezielles Projekt gemacht hat. Hi, Andrea, schön, dass du da bist.

Andrea [00:00:35] Hallo Eva.

Eva [00:00:37] Hi, wärst du so lieb, dass du dich einmal kurz vorstellst, damit die Hörer wissen, mit wem sie es heute zu tun haben?

Andrea [00:00:42] Ja, ich bin Andrea. Ich bin Leiterin der Selbsthilfegruppe der Region Hannover, gelernte Anästhesie- und Intensivkrankenschwester, aber jetzt aufgrund der Erkrankung in Rente, Mutter von zwei Kindern und auch Autorin des Kinderaufklärungsbuches „Mamas Bauchmonster“.

Eva [00:01:03] Sehr schön, vielen Dank. Wir haben uns an einigen Stellen schon einmal gesehen und ich durfte auch schon in dein Engagement reinschnuppern und finde es wirklich klasse, was du machst. Aber um so ein bisschen das Gefühl zu bekommen, wie auch deine Geschichte war und was dich dazu bewegt hat, in die Selbsthilfe zu gehen, würde ich gerne mal wissen, wie sich die Erkrankung Morbus Crohn damals bei dir bemerkbar gemacht hat, wie die Diagnose gestellt wurde und wie du es erfahren und wahrgenommen hast.

Andrea [00:01:35] Ich war ja sozusagen vom Fach und gerade mitten in meiner Abschlussprüfung zur Intensivschwester, als ich dann vermehrt Magenschmerzen und Bauchschmerzen hatte. Natürlich habe ich es zunächst nur auf den Stress geschoben und mir nichts weiter dabei gedacht. Das war 2009 und dann wurde es immer schlimmer. Ich hab‘ elf Kilo verloren und es wurden diverse Tests und Untersuchungen gemacht. Und da ich im Krankenhaus auch mit vielen Patienten und schwierigen Erkrankungen in Kontakt gekommen bin, wurden auch die absurdesten Tests durchgeführt. Nach drei Monaten kam dann endlich die Diagnose. Einerseits war man erleichtert, weil man endlich wusste, was mit einem los war, andererseits auch ziemlich schockiert darüber, was jetzt auf einen zukommt. Ich kannte natürlich auch sehr schwere Fälle aus meiner Krankenhausarbeit. Und da war man erst einmal sehr überfordert.

Ja, und mein Mann, der hat dann den Prozess sozusagen angestoßen und gesagt: „Wir müssen uns informieren. Wir müssen wissen, was wir tun können.“ Und so kamen wir auf die lokale Selbsthilfegruppe hier in Hannover. Dann habe ich den Kontakt hergestellt und sie besucht, viel gelesen, mit der DCCV Kontakt aufgenommen und bin auch dort eingetreten. Dann nahm alles seinen Lauf, dass man immer mehr in die Selbsthilfe reinrutschte und sich auch engagierte.

Eva [00:03:14] Das heißt also, du warst aufgrund deiner beruflichen Erfahrungen schon etwas sensibilisiert und dennoch war das wahrscheinlich für dich eine Herausforderung, sich auf diese Situation auch einzustellen. Wenn du es jetzt so vergleichst wie sich das damals, kurz nach der Diagnose, für dich angefühlt hat, mit der Situation heute: Würdest du sagen, dass sich der Umgang mit der Erkrankung verändert hat?

Andrea [00:03:45] Ja, der Umgang hat sich in dem Sinne verändert, dass man das jetzt schon mehr akzeptieren kann, man ein bisschen erfahrener ist mit seinem Körper und weiß, was einem gut tut und was eher nicht. Und man hat gelernt, besser mit der Erkrankung umzugehen.

Am Anfang war es doch eher so ein großer Schock: Warum ich? Was kommt auf einen zu? Man kannte wirklich nur diese ganz schweren Fälle mit vielen Operationen etc. Diese Fälle kannte ich von der Station und das war schon sehr viel auf einmal, mit dem man halt umgehen musste.

Und jetzt ist es eher, dass man weiß, wie es gerade ist - was ich tun muss. Man kennt seinen Körper schon relativ gut, so dass man auch in manchen Situationen entspannter bleibt und nicht gleich in Panik verfällt, wenn sich etwas verändert. Man ist ein bisschen gelassener, was das angeht, würde ich sagen.

Eva [00:04:41] Du sagtest ja, dass dein Mann vielleicht sogar die treibende Kraft war in Richtung Selbsthilfe. Mittlerweile – du hast es schon erwähnt – leitest du selbst eine Gruppe. Aber natürlich hast du diese Leitung nicht direkt übernommen, sondern hast, wenn ich richtig vermute, die Gruppe erst mal besucht, richtig? Die Beweggründe hast du bereits ein bisschen erklärt. Mit welchen Erwartungen oder welchen Gefühlen bist du damals in diese Gruppe gegangen? Beziehungsweise was hast du dir da erhofft?

Andrea [00:05:11] Ich bin hingegangen, weil ich dachte, dass man dort sicherlich Dinge erfährt, die einem weiterhelfen. Was kann ich noch machen? Wie kann ich mir selbst besser helfen? Wo finde ich vielleicht geeignete Ärzte? Möglicherweise irgendwelche Rezepte, die ich besser vertrage? Das Thema Essen ist immer ein großer Schwerpunkt. Ich hatte die Hoffnung, dass man sich dort austauscht, vielleicht andere nette Leute kennenlernt, die dann auch verstehen, was mit einem los ist. Am Anfang ist man mit allem schon sehr überfordert gewesen. Das war eigentlich – glaube ich – so meine Hoffnung, dass man andere kennenlernt, die das Gleiche durchgemacht haben und einem dann Tipps geben können.

Eva [00:06:02] Du hast jetzt auch schon zweimal das Wort Überforderung genannt. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den wir alle bei oder nach der Diagnoseerstellung irgendwie erleben. Da ist auf einmal eine Erkrankung, die einen jetzt begleiten wird. Und kaum einer hat vorher Erfahrungen damit im Familienkreis gehabt oder ist selbst so tief in dem Thema drin. Das ist eine Seltenheit. Dann ist es zunächst diese Herausforderung, die Erkrankung zu verstehen. Was macht das mit mir? Und dann kommen andere Komponenten dazu, wie du zum Beispiel sagtest die Ernährung. Was bedeutet das jetzt für mein Leben? Was bedeutet das für meine Arbeit? Was kann ich vielleicht auch selbst tun? Und so weiter. Und so weiter.

Das heißt, du hast die Selbsthilfe auch dahingehend genutzt, um dich auszutauschen. Aber auch, um einen besseren Zugang zu Informationen über das Krankheitsbild zu erhalten. Oder hast du dich dafür eher noch mal an andere Stellen gewandt?

Andrea [00:07:07] Nein, auch um Informationen zu bekommen. Am Anfang fand ich es am schwierigsten, damit umzugehen, dass es keinen klaren Leitfaden gab. Wenn man andere Erkrankungen sieht, dann wird einem z. B. gesagt: „Lassen Sie das Essen weg und dann geht es Ihnen gut.“ Oder: „Nehmen Sie das Medikament und dann wird alles wieder gut.“ Das gab es eben nicht und daran hatte ich doch sehr zu knabbern.

Aus der Schulmedizin kannte ich es oft, dass Wirkung und Ergebnis zusammengehen. Und ja, daran musste ich ganz schön arbeiten, um zu verstehen, dass es nicht so eine klare Linie gibt. Da hat mir dann die Selbsthilfe doch sehr weitergeholfen und auch Sicherheit gegeben. Und von daher war das schon der Beweggrund. Woanders habe ich mich eigentlich kaum informiert. Also klar, bei meinem Arzt. Da habe ich mir Infos geholt und sonst wirklich eher in der Selbsthilfe in der Gruppe und bei der DCCV.

Eva [00:08:10] Ich glaube auch, dass der direkte Austausch, in einem geschützten Raum, ein ganz wichtiger Aspekt ist und man sich dann auch schon ein wenig verstanden fühlt. Jetzt ist Selbsthilfe ein sehr breiter Begriff und jeder stellt sich irgendwie ein bisschen etwas anderes vor. Manche verbinden damit nicht ganz so positive Erfahrungen. Ich selbst habe auch nicht nur schöne Erfahrungen gemacht bei meinen ersten Versuchen, in die Selbsthilfe zu gehen. Nun glaube ich, so wie du berichtet hast, war es bei dir anders. Denn irgendwas scheint dich motiviert zu haben, auch zu sagen: Ich möchte da nicht nur teilnehmen, sondern auch etwas bewirken. Wie kam es dazu, dass du gesagt hast, ich möchte die Leitung übernehmen?

Andrea [00:09:05] Ich war ungefähr fünf Jahre in der Gruppe und es war ein netter Zusammenhalt. Also man kann sich das nicht so vorstellen wie eine Kegelgruppe, sondern eher sehr, sehr ungezwungen. Und wir haben auch sehr viel wechselnde Gesichter. Es war einfach immer ein nettes Treffen, aus dem aber keine größeren Verpflichtungen entstanden sind. Das fand ich ganz angenehm. Es waren sehr gute Gespräche. Und da es auch mehrere Teilnehmer in meinem Alter gab, bezogen sich die Gespräche auch auf Themen wie zum Beispiel die Familie. Ich habe mich einfach sehr wohl gefühlt und sehr positive Erfahrungen gemacht.

Als dann die damalige Leiterin gesagt hat, dass sie aufhören wird, weil sie es nicht mehr schafft und kürzertreten möchte, stand die Frage im Raum „Ja, was wird gemacht?“ Löst sich die Gruppe jetzt auf oder nicht? Da habe ich gedacht, irgendwie würde ich es total schade finden, wenn die Gruppe nicht weiter besteht, weil sie mir halt sehr gutgetan hat. Und ja, dann habe ich gesagt: Okay, dann übernehme ich jetzt das Ganze. Und hatte dann auch Zuspruch von noch zwei, drei anderen, die mich da unterstützen und jetzt meine Vertretungen geworden sind. Und dann hat man gesagt: Okay, Nägel mit Köpfen. Dann bin ich die Leiterin geworden.

Eva [00:10:29] Und dann hattest du den Job.

Andrea [00:10:31] Ja, genau.

Eva [00:10:33] Ich höre euren Ansatz schon ein bisschen heraus. Magst du vielleicht auch noch mal was dazu sagen? Ich sagte ja vorhin, dass es manchmal leider so ist, dass Selbsthilfegruppen nicht immer den besten Ruf haben, weil – so glaube ich – in der Vergangenheit immer sehr, sehr viel einfach nur stumpf an Stuhlkreis und Jammerkreis et cetera gedacht wird. Damit die Zuhörer jetzt vielleicht für sich ein bisschen was mitnehmen können: Könntest du mir einmal sagen, was eure Gruppe auszeichnet? Und wenn jetzt vielleicht die Region für die Zuhörer nicht genau spannend ist, du vielleicht noch mal so ein, zwei Sachen sagen könntest, worauf Menschen achten sollten, die auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe sind. Hast du da ein paar Tipps?

Andrea [00:11:20] Ja, also bei uns ist es so: Wir sind eine – ich sag mal – bunte Truppe im Alter zwischen 20 und 65. Und bei uns ist es sehr ungezwungen. Das ist mir auch sehr wichtig, dass man praktisch zum Treffen kommen kann. Wir bieten das einmal im Monat an. Man kann kommen, man muss sich aber auch nicht abmelden. Keiner ist verpflichtet, irgendwelche Ausreden oder so zu erfinden, wenn man mal nicht kommen mag oder wenn man halt auch beruflich verhindert ist. Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum man nicht kommt. Man muss es halt nicht. Und ich finde das auch sehr angenehm, dass man nicht so einen Druck hat, dahin gehen zu müssen.

Und wir halten zusammen. Aber ja, in einem Austausch, der eher – sagen wir – professionell ist, aber nicht so auf dieser sehr emotionalen Ebene, sondern dass man sich einfach gegenseitig Tipps, Halt und Unterstützung gibt.

Und das ist bei uns auch so, wenn Neue kommen. Dann telefoniere ich immer mit den neuen Mitgliedern, die in die Gruppe kommen wollen, damit ich weiß: Wie sind sie so drauf? Also manchen macht es vielleicht auch Angst, wenn sie dort erfahren, jemand ist operiert oder so. Und deswegen lote ich das immer so ein bisschen aus, um zu wissen, passt derjenige aktuell in die Gruppe. Manche sind nach der Diagnose zum Beispiel sehr psychisch angegriffen. Dann bringt das nichts, wenn sie zum Beispiel von noch schwereren Fällen hören. Da versuche ich immer so ein bisschen aufzupassen und das ist halt wichtig. Man muss gucken, dass die Gruppe zu einem passt.

Es gibt Selbsthilfegruppen, die erfüllen halt das klassische Bild, was du auch gerade sagtest: mit dem Stuhlkreis und jeder stellt sich vor und jammert eine Runde. Das haben wir so nicht und für viele ist das vielleicht auch das Falsche – sage ich jetzt mal. Also ich glaube, dieses Lockere, dass man sich wohlfühlt, ist am wichtigsten. Man sollte sich die Gruppe raussuchen, sich Informationen holen und gucken, passt die Gruppe zu mir.

Es gibt auch Gruppen, die zum Beispiel sehr viele Ausflüge machen oder so. Das wäre mir zu viel. Na ja, aber für andere ist genau das vielleicht das Richtige. Deswegen sollte man regional schauen, welche Gruppe gibt es, vielleicht einmal zum Schnuppern hingehen oder mit der Leitung telefonieren und gucken, sind sie mir sympathisch? Passt das? Und wenn nicht, ist es ja auch nicht schlimm. Es bringt nur etwas, wenn es für einen selbst ein gutes Gefühl gibt, dorthin zu gehen.

Eva [00:13:51] Auf jeden Fall. Ja, da hast du super viele wichtige Aspekte mit reingebracht und ich finde auch schön, dass du noch mal diesen Hinweis gibst, mit dem: Man kann sich auch einfach vorher melden. Denn das nimmt schon mal so ein bisschen die Hemmung vor dem ersten Mal Hingehen. Man hat dann schon einmal mit jemandem gesprochen und bekommt so ein bisschen die Sicherheit, ob das in dem Fall überhaupt etwas für einen ist. Also das ist – glaube ich – total wichtig.

Und, dass Selbsthilfe einfach sehr unterschiedliche Gesichter haben kann. Und da möchte ich an dieser Stelle auch einfach nochmal darauf hinweisen, dass es einfach in vielen Städten Selbsthilfebüros gibt, wo man sich zu Krankheitsbildern informieren kann. Manchmal kann man sich auf den städtischen Webseiten dazu informieren, welche Selbsthilfegruppen in der Region sind.

Du sagst es auch, die DCCV hat unterschiedliche Selbsthilfegruppen gelistet und da lohnt sich ebenfalls ein Blick. Und natürlich auch bei uns, beim CHRONISCH GLÜCKLICH e.V. Wir bieten manchmal eben auch diese Mischung an zwischen unseren Vor-Ort-Gruppen und auch Onlineaktionen, wo man relativ unverbindlich ist – vielleicht der falsche Ausdruck. Aber wo man einfach mal reinschnuppern kann in die Inhalte. Vielleicht dann auch schon einmal online Menschen kennenlernt, die auch mit der Erkrankung leben und dadurch bereits Kontakte entstehen.

Und das kann ja auch Selbsthilfe sein. Dass man sich darüber vernetzt und entsprechend auch noch mal in den Austausch kommt und es für sich dann so ein bisschen gestalten kann. Wie du auch sagst, man hat ja nicht immer die Kraft zu sagen: „Hey, wir fahren mal in den Vergnügungspark“. Das löst bei einigen viele Ängste aus. Und dann kann man einfach schauen, ist es eher so ein ruhiges Gespräch oder fühle ich mich vielleicht sogar auch mal mit einem Eins-zu-Eins-Gespräch oder in einer kleineren Gruppe wohler? Oder es ist eher ein: „Ich möchte etwas unternehmen.“ Weil ich mich vielleicht nicht traue, das mit meinen Freunden oder mit meiner Familie zu tun. Denn gefühlt sind alle anderen fitter und es gibt uns manchmal einfach ein schönes Gefühl, in einer Gruppe von Menschen zu sein, die Verständnis aufbringen und ähnliche Erfahrungen teilen. Was ist dir also für deine Gruppe ganz besonders wichtig? Hast du dir da ein spezielles Ziel gesetzt?

Andrea [00:16:03] Jein. Also irgendwie hatte man schon Ziele. Aber jetzt nicht mehr. Das ist schwierig zu formulieren. Also wichtig ist mir halt erst mal, dass die Gruppe bestehen bleibt. Denn diese, ich sage mal Selbsthilfegruppen, die sich vor Ort treffen, sterben ja fast so ein bisschen aus aufgrund der ganzen Social-Media-Sachen. Ich finde es aber auch wichtig, dass es sie weiter gibt, um sich auch im Eins-zu-Eins-Gespräch oder „face to face“ auszutauschen. Klar kann man das auch über Videokameras. Aber manchmal ist es wirklich auch ganz nett, sich einmal zu drücken oder irgendwie etwas zu machen, um sich halt untereinander weiter unterstützen. Und wir haben ein paar sehr engagierte Mitglieder bei uns in der Gruppe. Wir haben uns ein bisschen als Ziel gesetzt, auch weiter aufzuklären. Hier in der Region oder auch manchmal weiter weg. Dass man wirklich sagt: „Hier, das ist eine Erkrankung. Die gibt es. Die ist halt nicht so sichtbar und viele reden nicht drüber, aber sie ist da.“ Und dass man das auch zeigt und die Leute darüber aufklärt. Ich glaube, das ist so unser Ziel.

Eva [00:17:17] Und Aufklärung ist bei dir ein super wichtiges Thema. Auch noch mal speziell, weil dein Engagement über die Gruppenleitung hinausgeht. Und zwar hast du ein Aufklärungsbuch „Mamas Bauchmonster" geschrieben. Und du arbeitest auch mit dem CED Nord zusammen, wo ich dich auch schon einmal erleben durfte. Das war sehr schön. Magst du kurz erklären, was es mit dem Buch so auf sich hat und warum das Thema Aufklärung in der Familie ein so wichtiges für dich ist.

Andrea [00:17:52] Ja, ich bin wie gesagt Mama von zwei Kindern. Und damals, als die Idee dazu entstanden ist, war mein Sohn gerade zwei und wir waren auf dem Weg nach Göttingen zu einem CED Nord-Treffen. Dort halten Selbsthilfegruppen für andere Selbsthilfegruppen Vorträge und unsere Gruppe war dort ebenfalls mit dabei. Und mein Sohn saß im Auto und es kamen also Fragen auf, wie: „Wo fahren wir eigentlich hin? Was machen wir da? Warum?“ Dann hat man versucht das irgendwie zu erklären, was das jetzt für ein Treffen ist. Und man konnte es gar nicht so richtig.

Und irgendwie auf dem Rückweg kam dann die Idee: Man müsste das Thema Kindern irgendwie besser erklären können und ihnen ein Bild für die Erkrankung geben. Oder eher irgendwas an die Hand geben, wo sie sagen: „Ja, das ist es.“ Und es sollte etwas sein, was man benennen kann. Denn es kam immer sowas wie: „Mamas Bauch spielt verrückt!" Oder: „ist komisch“. Also es stand irgendwie immer so im Raum und man wusste nicht, wie man es erklären soll. Und dann kam eben diese Idee.

Sie wurde immer konkreter, so dass wir die Idee zwei Jahre später auch im Rahmen eines Selbsthilfekongresses vorgestellt haben. Und sie kam so gut an, dass wir gefördert wurden, um sie auch umzusetzen. Und da bin ich auch immer noch ganz dankbar drüber und es hat mich wirklich sehr gerührt und sehr stolz gemacht, dass die Idee so gut ankam.

Und dann ist das Buch entstanden. Es soll den Kindern erklären, was sich bei Mama oder Papa ändert, wenn sie diese Krankheit haben. Und das ist das Bauchmonster. Es erklärt nicht so sehr die Krankheit an sich, zum Beispiel welche Darmschicht irgendwie entzündet ist. Das interessiert Kinder auch nicht. Sondern es erklärt eher: Ab da kann Mama nicht Eis essen oder sie kann nicht auf den Spielplatz, weil es ihr nicht gut geht. Das haben wir immer mit dem Bauchmonster verknüpft, so dass ein sehr gutes Bild entsteht. Das war mir eben so wichtig, weil ich es meinen Kindern – also meine Tochter kam dann erst zur Welt, als das Buch schon ein bisschen konkreter war – gleich viel besser erklären konnte. Und das ist, auch wenn meine Kinder schon etwas älter sind, immer noch ein Thema. Wir sagen dann: „Ja, nee, das Bauchmonster spielt grad verrückt.“ Also ja, alles klar. Und dann ist man nicht so in Erklärungsnot und für die Kinder reicht das vollkommen aus. Sie fühlen sich dann wohler, wenn es sozusagen ein Gesicht hat. Und das war uns oder mir sehr, sehr wichtig.

Eva [00:20:33] Ja, ein super schönes und wichtiges Projekt. Und ich glaube, du hast da vielen Eltern ganz viel Ballast genommen. Es ist ja gar nicht der Anspruch, diese komplexen medizinischen Inhalte zu vermitteln. Man kann dann auch seine Emotionen nicht ganz abschalten. In so einem Moment irgendwas zu haben, um es verständlich zu machen, ohne auch zu überfordern, aber trotzdem einen offenen Umgang in der Familie zu haben, kann eine große Erleichterung sein. Ich glaube, ein Kommunizieren ist sehr wichtig, damit die Kinder auch eine Chance haben, ein Verständnis aufbauen zu können. Also ich finde es super, super schön. Und ich habe ja auch gehört, dass es keinen Stillstand gibt und das Projekt auch videografisch umgesetzt werden soll. Ich merke, du bist da ganz umtriebig in deinem Engagement. Gibt es Pläne bezüglich der Selbsthilfegruppe oder weiterer Bücher oder anderer Dinge? Hast du irgendwas, wo du sagst, da möchtest du gerne noch etwas zu erzählen?

Andrea [00:21:38] Also unsere Pläne sind: Momentan arbeiten wir an der zweiten Auflage des Buches, weil die erste jetzt so gut wie ausverkauft ist. Was echt ein sehr gutes Gefühl ist. Und wir haben vor zwei Jahren das deutsche Video dazu gemacht. Wir haben jetzt vor Kurzem am Welt-CED-Tag das englische Video herausgebracht. Das versuchen wir jetzt gerade im englischsprachigen Raum zu etablieren. Es sollen Selbsthilfegruppen oder Verbände darauf aufmerksam gemacht werden und es soll vielleicht auch in anderen Ländern genutzt werden. Und ein eBook soll es in Englisch auch noch geben. Also wir versuchen jetzt gerade international zu gehen. Das ist es, was gerade das Buch betrifft. Und mit der Selbsthilfegruppe an sich planen wir einfach, dass wir uns weiter sehr eng unterstützen und hier in der Region Hannover präsent sind und man uns leicht und gut finden kann.

Eva [00:22:39] Mega schön. Vielen Dank für dein Engagement. Ich glaube, du hilfst damit sehr vielen Betroffenen, weil du die Krankheit wirklich aus unterschiedlichen Perspektiven siehst. Als Betroffene erlebst du sie im Berufsalltag, als Mama, als Familienmensch, als Leiterin der Selbsthilfegruppe. Ich danke dir an dieser Stelle, dass du so offen mit mir gesprochen hast und wir das Thema Selbsthilfe und auch die Projekte ein bisschen vorstellen konnten. Gibt es irgendetwas, was du am Ende dieser Podcast-Folge gerne noch den Hörern mitgeben möchtest?

Andrea [00:23:18] Ja, also erst einmal danke für die Einladung und das Gespräch. Und ansonsten würde ich auf jeden Fall sagen: Redet offen über die Erkrankung. Auch vor allem mit den Kindern, damit sie sich nicht unnötig Sorgen machen. Sie interpretieren doch schnell in ihrer Fantasie Sachen, die dann gar nicht so sind. Deswegen offen und ehrlich kommunizieren. Aber auch im Alltag finde ich es sehr wichtig, über die Erkrankung zu reden. Und ich möchte auch allen Betroffenen Mut machen, mehr dazu zu stehen oder etwas zu ihrer Krankheit zu sagen. Denn wie gesagt, sie ist ja unsichtbar und es ist ein Tabuthema. Und dann kriegen die anderen es eben auch nicht mit, warum es einem grad nicht gut geht, weil man es uns nicht ansieht. Und deswegen finde ich es wirklich wichtig, dass man gesehen und gehört wird, damit man auch die entsprechenden Hilfen und die Unterstützung bekommt, die man manchmal braucht. Also deswegen nicht scheuen, offen drüber reden. Und ja, es ist nichts Schlimmes.

Eva [00:24:18] Vielen, vielen Dank, Andrea. Ich freue mich. Ich glaube, der eine oder andere kann hieraus etwas mitnehmen und sich natürlich auch im Nachgang noch einmal darüber informieren. Ich glaube, ich kann ganz offen sagen: Sprecht uns auch gerne an. Ihr seid auf jeden Fall nicht allein mit der Erkrankung. Und ja, dann danke ich dir, Andrea, und den Zuhörern vielen Dank und bis zum nächsten Mal. Tschüss!

Schön, dass ihr wieder mit dabei wart und zugehört habt. Habt ihr vielleicht Themenwünsche oder Anregungen für uns und für diesen Podcast? Dann schaut in die Podcast Beschreibung. Dort findet ihr eine Info, wie ihr uns kontaktieren könnt oder schaut bei Instagram oder Facebook unter CEDlife vorbei.