Durch eine CED verändert sich der eigene Körper unter Umständen stark, manchmal ist er kaum wiederzuerkennen. Weshalb man akzeptieren muss, dass man psychisch nicht jeden Tag gleich stark ist, warum Narben auch ein gutes Zeichen sein können und warum Lachen so wichtig ist, erzählen Eva und Désirée in unserer Podcast-Folge zum Thema „Körperwahrnehmung“.
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„Mein Name ist Eva. Als ich die Diagnose Morbus Crohn erhalten habe, war das am Anfang wirklich eine Herausforderung für mich. Vieles in meinem Leben hat sich seitdem verändert. Heute kann ich sagen, dass ich gelernt habe, mit dem Morbus Crohn umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen. Das war allerdings nicht immer so. Nach meiner Diagnose wusste ich nicht so recht, wie ich kommunizieren soll, dass ich an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leide.
Das Schreiben hat mir dabei geholfen, alles zu verarbeiten. Gleichzeitig kann ich anderen dabei helfen, mit der neuen Situation umzugehen, indem ich meine Geschichte öffentlich mache.
Ich möchte über chronisch-entzündliche Darmerkrankungen aufklären und anderen Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind. Zusammen mit Janssen trete ich für eine offene Kommunikation über CED ein – dafür engagiere ich mich im Rahmen der Aufklärungskampagne ‚Einfach sagen, was dahintersteckt.
"So führen wir beispielsweise regelmäßige Interviews mit Betroffenen, Angehörigen, Ärzt:innen und Psycholog:innen rund um die Colitis ulcerosa und den Morbus Crohn. Wir sprechen aber auch über die Erkrankung selbst und über Ernährung, Sport oder Reisen mit CED – eben alle Themen, die dazugehören. Die Gespräche findest du hier auf der Seite im Podcast- oder Videoformat.
Désirée bekam die Diagnose Colitis ulcerosa mit 14 Jahren. Mittlerweile lebt sie, nach einer Vielzahl von Operationen, ohne Dickdarm. Nach verschiedenen Stomata hat Désirée nun einen J-Pouch, wodurch sie wieder „normal zur Toilette gehen“ kann.
Désirée hat trotz ihres schweren Krankheitsverlaufes eine sehr positive Einstellung zum Leben: „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker“. Ihren Pouch hat sie bereits einige Jahre und findet, dass dieser ihr Leben sehr positiv verändert hat.
Für die Journalistin ist offene Kommunikation nicht nur im Job, sondern gerade bei einer CED besonders wichtig. Denn der Austausch mit Freund:innen und Familie, aber vor allem auch mit anderen Betroffenen, hat ihr viel Kraft gegeben. Genauso wie ihre Psychotherapie, über die sie auf ihren Kanälen ebenfalls offen spricht.
(00:00:35) Vorstellung des heutigen Gastes: Désirée
(00:01:37) Der Bauch als Schlachtfeld: Warum Désirée Schwierigkeiten hatte, ihren Körper anzunehmen
(00:04:53) Andere Menschen und ihr Einfluss auf das Selbstbild von Eva und Désirée
(00:08:23) Sport, darüber sprechen oder doch etwas anderes: Was hilft Eva und Désirée dabei, ihren Körper anzunehmen?
(00:16:14) Du bist okay! Warum deine Narben eine Geschichte erzählen und wie Humor helfen kann
(22:41) Outro
Eva [00:00:00] Willkommen zu „Klartext“ – dem Podcast über CED. Mein Name ist Eva und ich habe Morbus Crohn. In dieser Podcast-Reihe möchte ich euch an meiner Geschichte teilhaben lassen und zeigen, wie ich gelernt habe mit der Erkrankung umzugehen.
Hallo, zu einer neuen Folge von „Klartext“. Heute ist das Thema: Körperliche Veränderungen und wie wir damit umgehen. Dazu habe ich Desiree telefonisch zugeschaltet und wir werden uns darüber unterhalten, wie wir die körperlichen Veränderungen durch die CED wahrgenommen haben und wie wir damit umgehen. Zuerst einmal: Schön, dass du da bist, Desiree! Hallo!
Desiree [00:00:34] Hi Eva, schön, dass ich dabei sein darf!
Eva [00:00:39] Schön, dass du dabei bist! Würdest du dich kurz vorstellen, damit die Hörer wissen, mit wem sie es heute zu tun haben?
Desiree [00:00:44] Auf jeden Fall. Ich bin Desiree. Ich bin 26 Jahre alt und habe meine Colitis ulcerosa mit 14 Jahren bekommen, habe sie also schon ganz schön viele Jahre. Mein Körper und ich, wir haben auf jeden Fall einiges zusammen durchgemacht mit der Colitis. Ich habe schon etwa 15 Operationen hinter mir und habe keinen Dickdarm mehr, der wurde ganz entfernt. Inzwischen lebe ich mit einem sogenannten J-Pouch.
Eva [00:01:13] Vielen Dank, Desiree! Du hast schon einiges erlebt mit deiner CED und ich glaube, dass es für uns erst einmal eine wichtige Sache ist, die Erkrankung an sich zu akzeptieren. Wir möchten jetzt darüber sprechen: Wie hat die CED mit der Zeit unseren Körper verändert und wie nehmen wir diesen durch die CED veränderten Körper wahr? War das für dich ein Thema? Vor allem mit Hinblick auf deine Operationen?
Desiree [00:01:42] Auf jeden Fall. Es war ein riesengroßes, sehr krasses Thema für mich. Ich habe die Erkrankung jetzt ungefähr seit 12 Jahren und in den 12 Jahren hat sich mein Körper wahnsinnig verändert. Es war immer ein Auf und Ab an wahnsinnigem Gewichtsverlust, aber auch einem sehr schnellen Zunehmen durch die Medikamenteneinnahme. Dadurch bedingt hatte ich auch starke Dehnungsstreifen. Ein großer Punkt ist aber vor allem, dass mein Bauch sozusagen ein kleines Schlachtfeld war oder ist. Ich habe über meinen kompletten Bauch verteilt Narben und das sind eben keine kleinen Narben, sondern wirklich große Narben, die sich von oben, meiner Brust, bis unten über den kompletten Bauch verteilen. Diese großen Narben haben mich sehr lange sehr stark beschäftigt, weil das einfach was mit einem macht, wenn der Bauch ganz anders aussieht. Ich hatte zwei künstliche Darmausgänge – das hat psychisch zusätzlich total viel mit mir gemacht, da einen Beutel am Bauch hängen zu haben. Aber selbst als der Beutel dann weg war, hat es mich ganz schön beschäftigt und belastet, dass ich anders aussehe, anders angeguckt werde. Zum Beispiel im Schwimmbad. Ich habe mich sehr viele Jahre überhaupt nicht mehr überwinden können, richtig schwimmen zu gehen oder bin dann wirklich nur mit komplettem Badeanzug, mit dem alles schön verdeckt war, schwimmen gegangen, weil ich immer das Gefühl hatte, ich werde beobachtet. Ich konnte einige Jahre überhaupt nicht mit der Veränderung meines Körpers umgehen. Das war auf jeden Fall total schwierig für mich. Ich habe die Krankheit mit 14 bekommen, mitten in der Pubertät, in der sich der Körper sowieso verändert. Dann auch noch solche krassen Veränderungen mitzuerleben, war heftig für meinen Kopf und meine Seele.
Eva [00:03:30] Das heißt, du hattest auch zuerst eine Art Schamgefühl und wolltest dich gar nicht so richtig nach außen zeigen. Es waren die Gewichtsveränderungen, die kenne ich von mir selbst auch. Je nachdem in welcher Phase man sich gerade befindet und welche Medikamente man nimmt, hatte man starke Schwankungen von sehr, sehr dünn bis hin zu Wassereinlagerungen und einem „Mondgesicht“ – dass man in den Spiegel guckt und meint, sich gar nicht mehr selbst zu erkennen. Ich glaube es ist wichtig, zu lernen damit umzugehen und zu wissen, dass es ein Thema ist, das einem die Akzeptanz der Erkrankung und somit das Leben ganz schön schwer machen kann.
Desiree [00:04:18] Ich fand es auch total heftig. Klar, meinen Bauch konnte ich gut verstecken und selbst das Stoma habe ich über viele Jahre echt gut versteckt. Es wusste sehr lange niemand, dass ich ein Stoma habe, weil ich weite Kleidung und darüber fette Schals getragen habe und es so sehr erfolgreich verstecken konnte. Aber ein Gesicht kann man einfach nicht verstecken. Ich hatte auch das klassische „Mondgesicht“. Wenn ich jetzt Bilder von mir von früher sehe, denke ich manchmal: „Wahnsinn!“ Man erkennt sich ja wirklich gar nicht mehr wieder. Was hat das denn mit dir gemacht, Eva?
Eva [00:04:54] Ich fand es richtig erschreckend. Ich habe teilweise gar nicht mehr in den Spiegel geguckt, muss ich ehrlich sagen, weil es mich einfach sehr belastet und runtergezogen hat. Manchmal fand ich aber die Reaktion meines Umfelds, auf dieses „Mondgesicht“, dieses „Wow!“, noch erschreckender. Da konnte man es mir nämlich ansehen. Ich war dann auf einmal die Eva mit den mega dünnen Beinchen – weil meine Muskulatur und alles andere so stark zurückgegangen war und ich abgenommen hatte –, die aber trotzdem einen „Kanisterkopf“ hatte, der im Vergleich zum Rest des Körpers unverhältnismäßig erschien. Und das hat mir ein ganz komisches Gefühl gegeben und war eigentlich auch der Moment, indem ich gemerkt habe: „Ich muss da irgendwie raus!“, weil mich das mental schon arg belastet hat.
Desiree [00:05:46] Ja, das kann ich total verstehen. Die Reaktionen der anderen machen total viel mit einem selbst. Anknüpfend daran kann ich sagen, dass das Schlimmste, das, was mich psychisch am meisten runtergezogen hat, war, dass ich ganz zu Beginn meiner Erkrankung Freunde hatte, die jetzt ganz sicher Ex-Freunde sind, die überhaupt nicht damit umgehen konnten. Sie sind mit den Narben nicht gut umgegangen, sind zurückgeschreckt, haben mich komisch behandelt und auch komische Kommentare abgegeben. Das hat mich komplett aus dem Gleichgewicht gebracht und ich hatte, ungelogen, bestimmt fünf, sechs, sieben Jahre lang gar kein Selbstwertgefühl und kein Selbstbewusstsein mehr. Es war für mich eine krasse, psychische Belastung, mich vor irgendjemandem auszuziehen, egal ob es nur eine Freundin war, mit der ich schwimmen gegangen bin. Das war für mich jedes Mal wieder eine Hürde und hat mich sehr runtergezogen und ich habe mich deswegen wahnsinnig verrückt gemacht. Ein dummer Kommentar hätte manchmal gereicht, um mich komplett aus der Bahn zu werfen. Ich musste das total lernen und würde sagen, dass es erst so seit drei, vier Jahren steil bergauf geht. Es hat total viel mit mir gemacht, Erfahrungen damit zu machen, dass Menschen auch gut und cool damit umgehen können. Auch mit Beziehungen, Partnerschaften und Dating habe ich Erfahrungen gemacht, die positiv waren und, durch die ich Menschen kennengelernt habe, die damit gut umgehen konnten und mich darin bestärkt haben, sodass ich es irgendwann geschafft habe, das wieder als Teil von mir zu sehen. Natürlich ist es auch jetzt noch so, dass ich nicht an jedem Tag gleich gut damit umgehen kann. Es gibt immer noch Tage, an denen ich in den Spiegel gucke und denke: „Wow, krass, ich werde nie wieder einen normalen Bauch haben. Das wird einfach nicht mehr passieren und es sieht auch schon einfach heftig aus.“ Aber inzwischen gibt es mindestens genauso viele Tage, an denen ich in den Spiegel gucke und denke: „Krass, ja, das gehört alles zu mir, aber es ist halt ein Teil von mir, der zeigt, was ich alles schon erlebt und durchgemacht habe.“ Und wer damit nicht klarkommt, der muss auch nicht Teil meines Lebens sein.
Eva [00:08:08] Sehr, sehr starke Worte. Ich habe einen ähnlichen Prozess durchgemacht. Dieses „sehr verunsichert sein“, sehr verletzlich, sehr dünnhäutig, einfach, weil man meint, sich selbst nicht mehr wertschätzen zu müssen. Gab es bei dir eine Art Schlüsselmoment, in dem du gesagt hast: „Ne, Quatsch, ich mache doch mich und mein Selbstwertgefühl nicht von einem Stereotypen abhängig, der nur in meinem Kopf ist und mir sagt, wie ein Körper aussehen sollte! Davon lasse ich mich doch nicht runterziehen!“ Oder war das mehr ein schleichendes „ich akzeptiere mich so wie ich bin“?
Desiree [00:08:46] Ich glaube tatsächlich Letzteres. Es war ein schleichender Prozess, der damit einherging, dass es mir auch körperlich besser ging. Seit meiner letzten großen OP vor vier Jahren, in der wieder der ganze Bauch aufgeschnitten wurde, wodurch meine Narben noch größer und unschöner wurden – wenn dieselben Narben mehrmals geöffnet werden, dann sieht das einfach nicht mehr geil aus –, begann dieser schleichende Prozess. Dann ging es mir endlich Stück für Stück auch körperlich besser und ich habe dann gemerkt: „Diese ganzen Narben, das ist alles, was ich habe. Das ist halt da, aber das ist auch ein Zeichen dafür, dass es mir jetzt wieder besser gehen kann und auch besser geht durch die ganzen Operationen.“ Und dann war es wirklich ein schleichender Prozess, der einfach immer dadurch bestärkt wurde, dass ich mehr und mehr Menschen kennengelernt habe und in meinem Leben hatte, die sehr positiv und toll mit dem Thema umgegangen sind. Vielleicht sind sie auch interessierter damit umgegangen, weil sie das auch sehen wollten und das auch ein bisschen faszinierend fanden. Aber sie waren halt einfach total positiv und sind toll damit umgegangen. Das hat mir von außen sehr viel Kraft gegeben, mich selbst wieder zu akzeptieren.
Eva [00:10:03] Das heißt, der konkrete Austausch mit deinem Umfeld, dich deinem Umfeld zeigen zu können, Vertrauen zu haben und sich öffnen zu können, hat dich dabei unterstützt – übertrieben gesagt – wieder mit dir im Reinen zu sein?
Desiree [00:10:22] Ja, total!
Eva [00:10:27] Weil du eben meintest, die Situation sei auch eine starke psychische Belastung für dich gewesen, interessiert mich: Hast du das für dich alleine, mit dir selbst, abgemacht oder hast du, abgesehen davon, auch professionelle Hilfe gesucht und das Ganze mit jemandem aufbereitet? Oder war es dann eher so, wie du vorhin sagtest, ein Prozess, in dem du peu à peu positive Erfahrungen gesammelt hast, die dich bestärkt haben rauszugehen und beim nächsten Mal gestärkter in ein Gespräch zu gehen? Oder gab es da eine Betreuung, vielleicht psychotherapeutisch oder durch Seelsorge? Oder hast du gezielt Selbsthilfegruppen oder Ähnliches besucht?
Desiree [00:11:03] Ja, Selbsthilfegruppen hatte ich kurz ausprobiert, das war aber für mich nie das Richtige. Aber, ich war in einer Psychotherapie, auch über ein Jahr lang. Ich muss sagen, dass die Psychotherapie mehr dazu diente, die traumatischen Erlebnisse im Krankenhaus und die Operationen zu verarbeiten. Ich glaube, das war eher so ein bisschen hintergründig. Das hatte dann natürlich auch Einfluss auf die Selbstwahrnehmung. Aber, in der Psychotherapie habe ich hauptsächlich die traumatischen Erlebnisse aus dem Krankenhaus verarbeitet. Die Selbstwahrnehmung und das Selbstbild haben sich tatsächlich persönlich und selbstständig wieder entwickelt. Auch ein bisschen dadurch, dass ich halt irgendwann wieder Sport machen konnte. Also ich war vor der Erkrankung super sportlich. Ich habe schon als kleines Kind und Teenie immer super viel Sport gemacht. Ich war in der Leichtathletik, bin geschwommen, bin geritten, habe Ballett getanzt. Also, ich war wirklich immer aktiv und körperlich fit und hatte Muskeln. Als das dann auf einmal alles weg war, war das schon heftig. Ich habe gemerkt, dass es mir total geholfen und sehr viel gegeben hat, als ich wieder ein bisschen sportlich aktiv sein konnte, weil ich wieder mehr selbst in die Hand nehmen konnte. Wie ist es denn bei dir? Du bist ja auch, wie ich weiß, sehr, sehr sportlich. Ich glaube auch sehr viel sportlicher als ich.
Eva [00:12:35] Bewegung und Sport waren immer großer Bestandteil meines Lebens und das war bei mir, genau wie bei dir, ein Riesenthema, dass das so abrupt auf einmal nicht mehr ging und, dass ich durch den starken Schub und die Cortison-Therapie auch relativ stark an Muskeln und Kraft verloren hatte. Und da kam dann alles zusammen. Ergänzend zu dem „ich fühle mich nicht mehr so wohl im eigenen Körper“ zu „mir fehlt das Ventil“, was ich davor noch hatte. Das war schon sehr herausfordernd und es hat einige Zeit lang gedauert, bis ich für mich selbst akzeptiert habe: „Okay, das ist jetzt so.“ Mir sind teilweise auch die Haare ausgefallen, ich hatte wirklich damit zu kämpfen. Ich habe mir dann auch psychotherapeutische Hilfe geholt, viel mehr vor dem Hintergrund, die Erkrankung an sich zu akzeptieren und für mich eine neue Alltagsroutine zu finden. Das hat mir wirklich sehr dabei geholfen zu sehen, dass ich mich nicht durch mein Äußeres definiere und, dass da ja immer irgendwo die Eva in mir drin ist. Irgendwie bin ich dann Schritt für Schritt nach vorne gegangen. Je weiter ich diese Erkrankung für mich verstanden und akzeptiert hatte, desto stärker bin ich wieder von innen geworden und das habe ich irgendwann auch wieder nach außen ausgestrahlt. Und dann war es für mich irgendwann egal, ob da noch irgendwo eine Haarlücke ist. Ich konnte dann auf einmal wieder darüber hinweg gucken. Ich hatte zu Beginn meiner Zeit mit der CED mein inneres Strahlen verloren und das war viel schlimmer. Deswegen hat es mir sehr geholfen, in dieser Zeit die Psychotherapie zu haben, die mich begleitet hat, die aber auch eine Zeit lang mehr wie ein kleines Coaching war. Enorm wichtig daran war, dass mich eine neutrale Person von außen bewertet hat, weil es mich mehr runtergezogen hat, wenn mein persönliches Umfeld, mit dem ich viele Emotionen verbinde, mir einen mitleidigen Blick zugeworfen hat oder selbst mit der Situation überfordert war. Die Psychotherapie als neutrale Instanz war für mich also super, um wieder zu mir selbst zu finden und um zu lernen, mich selbst wieder mehr wertzuschätzen.
Desiree [00:14:50] Das ist schon Wahnsinn! Ich denke darüber gerade wieder total viel nach. Ich weiß nicht, wie es dir damit geht, aber ich habe das Gefühl – das klingt jetzt zwar super klischeemäßig und pathetisch –, dass das alles und die Krankheit mich einfach sehr viel stärker gemacht hat. Ich weiß nicht, ob ich so stark und bei mir wäre, wenn ich das alles nicht gemacht hätte.
Eva [00:15:15] Ich finde, das ist ein total spannender Effekt. Klar ist das manchmal so eine Floskel: „Das hat mich alles stark gemacht!“ Aber, ich glaube schon, dass wir durch diesen Prozess, den jeder Mensch irgendwann einmal durchgeht – zwar nicht in dieser Intensität, aber spätestens, wenn man im Alter mal einen Unfall hat oder irgendetwas passiert –, in relativ jungen Jahren gezwungen werden, unser eigenes Leben zu reflektieren. Ich bin in diesen Jahren, in denen ich die Erkrankung für mich verstanden habe und gelernt habe zu akzeptieren, mich zu reflektieren und mein Leben quasi neu zu sortieren, sehr stark gereift. Ich glaube schon, dass das etwas mit einem macht und ich glaube auch, dass wir dadurch gewissermaßen schon eine Stärke entwickelt haben.
Desiree [00:16:09] Ja, total.
Eva [00:16:13] Mittlerweile hat, glaube ich, jeder von uns seine eigenen Strategien entwickelt. Bei mir ist es aber manchmal so: Wenn ich wieder in einen Schub komme oder eine OP habe – ich hatte jetzt im Dezember einen kleinen Eingriff, nicht für den Crohn, aber ich hatte eine kleine Operation –, dann laufe ich schon mal Gefahr, wieder in dieses alte Schema hineinzurutschen nach dem Motto: „Oje, wie sehe ich denn jetzt aus?“ Ich komme aber auch relativ schnell wieder da raus, indem ich mir selbst sage: „Das ist jetzt egal, das gehört eben einfach zu mir. Das ist noch eine Geschichte, die ich erzählen kann, die mich wieder stärker aus der Sache hervorgehen lässt.“ Was würdest du jemandem mitgeben, der sich aktuell sehr schwer damit tut, seine körperlichen Veränderungen anzunehmen?
Desiree [00:17:00] Ich finde, das Allerwichtigste ist es, sich selbst einfach keinen Stress zu machen und das dauert. Ich sage das auch jedem. Ich habe ganz, ganz oft Kontakt zu jungen Patienten, die mir direkt nach OPs schreiben und sagen: „Krass, wie hast du das denn geschafft, dass du so damit umgehst, wie du damit umgehst, mit all den Narben und Veränderungen?“ Ich denke, das ist der wichtigste Punkt: die Geduld zu bewahren und sich selbst nicht zu stressen. Ich habe dafür 12 Jahre gebraucht, um jetzt so über das Thema mit dir sprechen zu können, wie ich es gerade tue. Und das geht nicht von heute auf morgen. Wenn sich ein Körper so krass verändert, dann muss auch der Kopf da erst einmal hinterherkommen und damit klarkommen. Das ist völlig okay. Der zweite wichtigste Punkt ist, dass nicht jeder Tag gleich gut ist. An nicht jedem Tag fühle ich mich gleich gut und auch ich habe noch Tage, an denen ich die Narben zum Kotzen finde und heulen möchte, wenn ich in den Spiegel gucke. Und das ist dann okay. Ich glaube, man muss einfach akzeptieren, dass man auch psychisch nicht jeden Tag gleich stark ist und man nicht jeden Tag gleich fit sein kann. Man kann nicht jeden Tag gleich viele Kilometer joggen und genauso ist es in etwa mit dem Kopf – der ist auch nicht jeden Tag gleich stark und fit. Auch wenn ich mich heute super gut damit fühle und super gut mit den Narben und allem klarkomme, heißt es nicht automatisch, dass es morgen genauso sein muss. Diesen Punkt zu akzeptieren und zu sich selbst zu sagen: „Es ist okay, wenn es auch mal irgendwie schlechte Tage gibt.“, das ist, glaube ich, superwichtig.
Eva [00:18:33] Ja, ich glaube man darf nicht so streng mit sich selbst sein. Auch die absoluten – wo man jetzt vielleicht sagt: „Öh, das sind ja nur Schönheitsideale!“ – Topmodels, fühlen sich auch nicht immer superschön, wenn sie in den Spiegel gucken. Damit hat jeder so seine Probleme. Aber, man darf sich selbst eben nicht so unter Druck setzen und sollte eine positive Haltung zu sich selbst und auch zum eigenen Körper entwickelt. Das finde ich schon enorm wichtig. Vor allem wenn man merkt, dass man ein gestörtes Verhältnis zu sich selbst entwickelt, ist es wichtig, rechtzeitig die Hand auszustrecken und den Austausch zu suchen. Der Austausch zu anderen Betroffenen ist enorm wichtig, weil man dann die Möglichkeit hat, in einem vertrauten Umfeld zu sprechen, obwohl man die andere Person vielleicht noch gar nicht so lange kennt. Diese Verbindung, die man hat, dadurch, dass man die gleiche Erkrankung hat, hilft einem dabei, sich Dinge von der Seele zu reden, in einem geschützten Umfeld. Manchmal hilft es auch, ein bisschen darüber zu lachen, wenn man sich dann mal so vor Augen hält: Hier „Mondgesicht“ und dann wieder normal ... Das, finde ich, hilft dabei, das Thema zu relativieren und zu sagen: „Okay, das ist zwar nicht immer leicht, aber die haben das auch irgendwie gepackt.“ Das bestärkt, wie ich finde, dann auch immer enorm.
Desiree [00:19:51] Auf jeden Fall. Ich finde, es ist so ein wichtiger Punkt „gleichgesinnte Opfer“ zu finden, die dasselbe durchgemacht haben. Es fällt dann auch einfacher anzufangen, die Dinge mit Humor zu nehmen. Ich finde, sobald man aufhört über bestimmte Dinge zu lachen, hat man verloren. Es ist einfach superwichtig, darüber zu lachen und mit Menschen zu sprechen, die das alles auch nachvollziehen können. Natürlich ist es auch toll, eine Familie und Freunde zu haben, die für einen da sind. Das ist ein unfassbar wichtiger Punkt. Aber es ist ein ganz anderer Punkt, eine ganz andere Ebene, mit jemandem darüber zu sprechen, der das Gleiche oder Ähnliches erlebt und durchgemacht hat. Diese Art des Verständnisses können Menschen nicht entwickeln, die es nicht selbst erlebt haben.
Eva [00:20:43] Ich fand diesen Aspekt gut, den du eben genannt hast, dass die Narben oder auch die Veränderungen, die unseren Körper durchlaufen, jetzt irgendwie zu uns gehören. Und klar erinnert uns das an die schlimmen Zeiten, aber es zeigt uns auch das, was wir schon überstanden haben und, dass wir hier stehen und wahrscheinlich sogar mental gestärkt hier stehen. Und das kann einem, wie ich finde, viel Kraft geben für einen Prozess, in dem man lernt, sich selbst wieder zu lieben.
Desiree [00:21:10] Man hat dadurch auch eine Geschichte zu erzählen. Meine ganzen Narben erzählen eine Geschichte und sind ein Teil von mir. Sogar ein verdammt großer Teil von mir, aber trotzdem ist es wichtig, dass das nicht alles ist. Ich kann eine Geschichte erzählen. Ich kann viele Geschichten dazu erzählen und ich kann inzwischen auch gut damit umgehen und gut darüber sprechen, aber es ist nicht alles von mir. Ich bin trotzdem noch ganz, ganz viel anderes und bin immer noch die Desi und bestehe nicht nur aus meinen Narben. Ich glaube, es ist wichtig, diesen Punkt zu akzeptieren.
Eva [00:21:52] Ja, auf jeden Fall. Vielen Dank Desiree! Ein superspannendes Thema, dem wir uns heute gewidmet haben. Ich glaube, dieses Thema ist nicht unwesentlich, weil viele Betroffene zwangsläufig damit konfrontiert werden. Zum Schluss können wir festhalten, dass es wichtig ist, geduldig mit sich selbst zu sein, nicht zu streng zu sich selbst zu sein, sich nicht nur auf diese Veränderungen zu reduzieren und im Zweifelsfall auch zu lernen, etwas Positives darin zu sehen und den Austausch zu suchen.
Desiree [00:22:28] Auf jeden Fall. Das ist ein, wie ich finde, sehr, sehr schönes Fazit. Und wenn immer möglich: Darüber lachen!
Eva [00:22:35] Humor hilft!
Desiree [00:22:38] Humor hilft immer!
Eva [00:22:39] Herzlichen Dank Desiree, für den offenen Austausch und bis zum nächsten Mal!
Desiree [00:22:46] Vielen, vielen Dank dir, Eva!
Eva [00:22:49] Schön, dass ihr wieder mit dabei wart und zugehört habt. Habt ihr vielleicht Themen, Wünsche oder Anregungen für uns für diesen Podcast? Dann schaut in die Podcast-Beschreibung. Dort findet ihr eine Info, wie ihr uns kontaktieren könnt. Oder schaut bei Facebook bei CEDlife vorbei!