Was man tun kann, um sich möglichst wohlzufühlen
Bei einer Depression ist der Einsatz von Medikamenten oft unverzichtbarer Teil der Therapie. Unterschiedliche Substanzkategorien von Antidepressiva können zur Anwendung kommen: Da sind zunächst die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), dann die tri- und tetrazyklischen Antidepressiva (TZA) und die Monoaminooxidase-Inhibitoren (MAO-Hemmer). Unlängst ist noch die neue Gruppe der RAAD (Rapid-acting Antidepressants) hinzugekommen.
All diese Medikamente können Nebenwirkungen haben, von Fachleuten häufig als „UAW“, also unerwünschte Arzneimittelwirkung bezeichnet – die neueren Präparate haben teilweise weniger und schwächere unerwünschte Wirkungen als die alten. Die älteren Medikamente leisten aber vielen Patient: innen sehr gute Dienste bei oft auch gut tolerierbaren Nebenwirkungen. Manche dieser Nebenwirkungen treten nur anfangs auf und legen sich von selbst, meist im Zeitraum von etwa zwei Wochen. Manche Nebenwirkung hingegen muss man längerfristig in Kauf nehmen.
In diesem Artikel erfahren Sie, bei welchen Beschwerden Sie sich selbst helfen können und wie ein gutes Nebenwirkungsmanagement aussieht. Prof. Dr. Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Lübecker Universitätsklinikum, erklärt die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft und gibt Tipps aus der Praxis.
Wenn Sie mit der Einnahme eines Antidepressivums beginnen, kann es anfänglich zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Diese sind von Mensch zu Mensch und von Medikament zu Medikament verschieden, sie treten auch unterschiedlich häufig auf. Viele der Nebenwirkungen sind temporär und geben sich binnen überschaubarer Zeit von selbst. Bitte haben Sie Geduld, statt das Medikament vorzeitig und auf eigene Faust abzusetzen: Denn anfänglich spüren Sie bei Antidepressiva meist nur die Nebenwirkungen. Die eigentliche stimmungsaufhellende Wirkung setzt erst später ein, manchmal erst nach mehreren Wochen. Bitte sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer Ärztin, statt das Medikament vorschnell abzusetzen. Die häufigsten kurzfristigen Nebenwirkungen betreffen den Magen-Darm-Trakt.
Verstopfung, also Obstipation, ist eine häufige Begleiterscheinung der Trizyklischen Antidepressiva. Hier können lösliche Ballaststoffe helfen, wie sie in Obst, Gemüse und Salat vorkommen. Auch Vollkornprodukte verbessern die Verdauung. Flohsamen können bei Verstopfung mild abführend wirken. In jedem Fall sollten Sie viel Wasser trinken! Und gehen Sie möglichst viel zu Fuß – Bewegung unterstützt die Verdauung.
Unter der Einnahme von SSRI und SSNRI sowie Monoaminooxidase-Hemmern können anfangs häufig Durchfälle und breiiger Stuhlgang auftreten. Flohsamen binden bei Durchfall die überschüssige Flüssigkeit im Darm, wodurch sich der Stuhl verfestigt. Gegen starke oder anhaltende Durchfälle kann temporär auch ein Medikament verordnet werden.
Diese können anfänglich bei der Einnahme von SSRI und SSNRI vorkommen. Meist sind „Hausmittel“ in der Wirkung ausreichend, zum Beispiel Pfefferminzöl, das auf die Schläfen aufgetragen wird, und frische Luft. Auch ein Glas Wasser und Entspannungsübungen – mal zwanzig Minuten die Augen schließen – können helfen.
Bei leichtem Schwindel ist häufig Ingwer wirksam, bei Übelkeit wird auch das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi empfohlen. Bitte fragen Sie gegebenenfalls auch Ihren/Ihre Psychiater: in nach Möglichkeiten, mit einer auftretenden Nebenwirkung umzugehen. Nach Absprache mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin kann es bei manchen Antidepressiva beispielsweise eine Möglichkeit sein, diese nach einer Mahlzeit einzunehmen oder morgens einen Löffel Erdnussbutter als „Unterlage“ zu essen. Bei manchen Medikamenten verschwindet der Schwindel bzw. die Übelkeit aber auch kurze Zeit nach Einnahme oder Anwendung von allein. Seien Sie bitte trotzdem vorsichtig und sprechen mit Ihrem Arzt bzw. Ihrer Ärztin darüber.
Müdigkeit gilt als eine häufige Nebenwirkung bei der Einnahme von tri- und tetrazyklischen Antidepressiva, wenn die Therapie begonnen wird. Hier hilft zum Beispiel Bewegung an der frischen Luft. Hilfreich kann auch die Einnahme der Medikamente abends statt morgens sein. Ein positiver Nebeneffekt ist dabei die schlafanstoßende Wirkung. Sprechen Sie ruhig Ihren Arzt oder Ihre Ärztin darauf an, wenn sich etwas verändert, das Sie eventuell auf ein Medikament zurückführen.
Eine häufige Nebenwirkung von trizyklischen Antidepressiva und SSRI kann Mundtrockenheit sein. Sie können die Speichelproduktion mit dem Kauen gesunder Nahrungsmittel verbessern, zum Beispiel mit Äpfeln und/oder Möhren. Auch zuckerfreier Kaugummi bzw. zuckerfreie Bonbons fördern den Speichelfluss. Manche Menschen haben gute Erfahrung mit dem Lutschen kleiner Eiswürfel gemacht1.
Diese Nebenwirkung kann bei einigen Antidepressiva, z.B. trizyklischen Antidepressiva, auftreten. Wenn Sie bemerken, dass Ihr Gewicht ansteigt, lässt sich durch Überprüfen der Ernährung und Reduktion der täglichen Kalorienzahl oft Einfluss nehmen. Hier können ballaststoffreiche und zuckerarme Ernährungsformen wie die Low-Carb-Diät, die Mediterrane Diät oder gegebenenfalls auch Intervallfasten helfen. In Einzelfällen kann es aber auch zu einer Zunahme von unerwünschten Arzneimittelwirkungen führen. Befragen Sie am besten Ihren Arzt oder Ihre Ärztin, ob Intervallfasten für Sie geeignet ist. Insgesamt hat die Mediterrane Kost einen günstigen Einfluss auf den Umgang mit Nebenwirkungen. Eine weitere Möglichkeit, die Gewichtszunahme zu bremsen, ist körperliche Aktivität, also die Steigerung des Grundumsatzes.
Vor einem Wechsel des Präparates sollte zunächst eine Modifizierung bzw. Optimierung von Lebensstilfaktoren geprüft und ggf. umgesetzt werden. Kommt es dennoch zu einer signifikanten kontinuierlichen Gewichtszunahme, kann in Abhängigkeit vom individuellen Krankheitsverlauf und im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung mit dem Behandler/in auch eine Umstellung der Medikation erwogen werden.
Weitere Informationen und Tipps rund um die Themen Ernährung bzw. Bewegung im Zusammenhang mit einer Depression finden Sie auch im Interview mit Prof. Sina (https://www.janssenwithme.de/de-de/gemeinsam-gegen-depression/leben-mit-depression/experteninterview-sina) und ebenfalls hier: https://www.janssenwithme.de/de-de/gemeinsam-gegen-depression/leben-mit-depression/gesundes-leben-sport
Hier sollte differenziert werden, denn einerseits sind Schlafstörungen ein häufiges und charakteristisches Symptom der Depression, andererseits können sie eine Nebenwirkung des verordneten Antidepressivums sein. Schlaflosigkeit tritt bei manchen SSRI häufig bis sehr häufig als unerwünschte Nebenwirkung auf. Guter Schlaf unterstützt jedoch Ihre Gesundung und Ihr Wohlbefinden, deswegen sollten Sie Ihren behandelnden Psychiater bzw. Ihre Psychiaterin ansprechen, wenn Sie Schlafstörungen als Nebenwirkungen einer antidepressiven Medikation beobachten.
Eine häufige Begleiterscheinung sowohl der Depression selbst als auch der verordneten SSRI ist z. B. das Nachlassen des sexuellen Verlangens, Libidoverlust bis hin zu Orgasmus-Störungen. Bitte sprechen Sie offen mit Ihrer Psychiaterin oder Ihrem Psychiater, statt Ihr Medikament abzusetzen. Eventuell ist eine Dosisreduktion oder auch ein Wechsel der Substanzkategorie möglich: Es gibt medikamentöse Alternativen, die seltener zu sexuellen Funktionsstörungen führen. Männern kann zudem ein Medikament gegen erektile Dysfunktion verschrieben werden. Für Frauen mit Libidoverlust steht bisher kein Äquivalent zur Verfügung, hier werden Meditation, Yoga, Achtsamkeitsübungen und körperliche Aktivität empfohlen. Mit der Abnahme depressiver Symptome kann auch eine Besserung der sexuellen Funktionsstörungen einhergehen.
Mundtrockenheit, Müdigkeit und Schläfrigkeit, Obstipation (Verstopfung), Schwindel, Übelkeit (Nausea) und Erbrechen: siehe Abschnitt „kurzfristige Nebenwirkungen“
"Das Spektrum an möglichen Nebenwirkungen durch antidepressiv wirksame Medikamente ist sehr breit. Jeder einzelne Patient und jede einzelne Patientin hat aber nur mit einem kleinen Ausschnitt davon zu tun. Falls unerwünschte Wirkungen auftreten, sollten diese ohne Scheu mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Das kann vielleicht unangenehm sein, gerade wenn es um Nebenwirkungen geht, die den Magen oder den Darm betreffen. Wenn Sie sich bewusst machen, dass dieses Gespräch für Ihren Arzt völlig „normal“ ist, verfliegt vielleicht Ihre Scheu, darüber zu sprechen. Ansonsten können Sie auch Ihren Hausarzt, einen Ernährungsmediziner oder auch einen Gastroenterologen ansprechen.“
(Prof. Christian Sina)
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