Ich bin
Alter: 59
Beruf: Architekt
Das ist mir wichtig: Menschen mit Depressionen sind nicht einfach „nur traurig“. Eine Depression ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die einen erheblichen Einschnitt in das Leben der Betroffenen darstellt.
Das wünsche ich mir von meinen Mitmenschen: Ratschläge sind oft gut gemeint, belasten Menschen mit einer Depression jedoch manchmal zusätzlich. Nicht-Betroffene, die sich wirklich dafür interessieren, finden heute genügend Informationsmöglichkeiten, wie sie Betroffene unterstützen können.
Das hat mir geholfen: Ich habe den Job gewechselt und mein Leben nach meinen Bedürfnissen komplett umgestaltet. Wichtig ist mir dabei, Überlastungen schnell zu erkennen und mir die Zeit zu nehmen, die ich zur Erholung brauche. Sinnstiftende Erfüllung finde ich auch im Rahmen meiner ehrenamtlichen Arbeit.
Jahrelang stand Horst unter einem großen Leistungsdruck. Er lebte nur noch für seinen Job, in dem er viel Verantwortung trug und der ihm alles abverlangte. Im Lauf der Zeit kamen immer mehr Projekte hinzu, die mit immer weniger Leuten umgesetzt werden mussten. Die Arbeitsbelastung nahm überhand. Um seine Sorgen zu vergessen, begann Horst, exzessiv Alkohol zu trinken. Als sein Arbeitgeber ihm eines Tages mitteilte, dass er entlassen werde, wenn er sein Alkoholproblem nicht in den Griff bekomme, brach bei Horst alles zusammen. Er isolierte sich für viele Wochen, reagierte auf keine Anrufe mehr und entwickelte Suizidgedanken. Sein Leben schien ihm sinnlos.
„Geholfen hat mir in diesem Moment das Gespräch mit einer Freundin, der ich mich letztendlich anvertrauen konnte. Mir wurde klar, dass ich ernsthaft Hilfe brauchte. Ich ging zunächst zu meiner Hausärztin. Als diese mir mitteilte, dass ich eine Depression hätte, konnte ich das kaum glauben. Sie verschrieb mir erstmals Tabletten und gab mir eine Liste mit Therapeuten. Ich fühlte mich durch sie das erste Mal seit langem verstanden und da wusste ich, das Leben geht weiter. Ich verstand, dass mein Leben nicht zu Ende ist, wenn ich diesen Job nicht mehr habe, sondern, dass dies die Chance auf ein besseres und gesünderes Leben ist.“
Bis es Horst besser ging, sollte es aber noch eine Weile dauern. Nachdem der Druck durch die Arbeitsbelastung weggefallen war, schaffte er es zwar problemlos, mit dem Alkoholkonsum aufzuhören, er litt aber weiter unter Symptomen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Vergesslichkeit und Einschränkung weiterer kognitiver Fähigkeiten. Hinzu kamen immer wieder Panikattacken. Dennoch glaubte er, dass er nach ein paar Monaten wieder arbeiten gehen könnte und bald wieder der Alte sei. Der Genesungsprozess nahm jedoch mehr Zeit in Anspruch. Heute ist er froh darüber, diese Zeit gehabt zu haben. Neben der Unterstützung durch seine Hausärztin fand Horst Hilfe in der Psychiatrischen Institutsambulanz vor Ort, wohin er regelmäßig zur Therapie ging. Später verbrachte er einige Wochen in einer Reha-Klinik. Der Schritt in die wirkliche Wiedereingliederung wurde ihm durch ein behutsames Heranführen an tägliche und berufliche Aufgaben in einem beruflichen Trainingszentrum (BTZ) ermöglicht. Dies nahm insgesamt fast ein Jahr in Anspruch, hat sich für Horst aber mehr als gelohnt.
„Der Aufenthalt in der Klinik und der Austausch mit anderen Betroffenen taten mir gut. Da waren Menschen, denen ich nichts erklären musste, die einfach verstanden, wie es mir geht. All dies half mir dabei, die Krankheit besser zu bewältigen und zu verstehen.“
Horst ist inzwischen ins Arbeitsleben zurückgekehrt. In seinem heutigen Job kann er offen über seine Depression reden und seinen Arbeitsalltag so gestalten, dass es für in passt. Er hat gelernt, achtsam mit sich umzugehen und auf Warnsignale sofort zu reagieren. Erfüllung findet er vor allem in Begegnungen mit anderen Menschen und in seinen vielfältigen ehrenamtlichen Engagements, die er sich so einteilt, dass er sich nicht überlastet.
„Es klingt vielleicht komisch, aber für mich bedeutete die Depression eine große Chance, noch mal ein neues Leben anzufangen. Ich habe viel über mich gelernt und setze meine Prioritäten heute völlig anders. Früher hat mich das Leben bestimmt, heute bestimme ich das Leben. Ich gehe offen mit meiner Erkrankung um – und das tut gut.“
„Schon als Kind war ich sehr verschlossen und zog mich viel zurück. Probleme machte ich meist mit mir selbst aus. Rückblickend zeigten sich möglicherweise schon damals erste Anzeichen einer Depression. Die offizielle Diagnose erhielt ich erst mit 37 Jahren.“
„Als Kind habe ich mich viel allein gefühlt. Ich musste schon früh selbstständig sein, weil meine Mutter als Alleinerziehende sehr viel arbeiten musste, damit wir über die Runden kamen. Mit 14 habe ich das erste Mal an Suizid gedacht. Meine Mutter fand jedoch den Abschiedsbrief. Das hat mich damals gerettet.“
„Depressionen gehören seit meiner Jugend zu meinem Alltag. Sie sind zwar nicht immer so ausgeprägt, aber sie sind immer da. Rückblickend hätte ich viel früher mit einer Behandlung beginnen müssen – aber zum damaligen Zeitpunkt haben es weder ich noch mein Umfeld besser gewusst.“