Folge 3: Diagnose Krebs/Knochenmarkkrebs - wie sage ich es anderen

Diagnose Krebs/Knochenmarkkrebs - wie sage ich es anderen

Nach der Diagnose Multiples Myelom ging bei Thomas alles Schlag auf Schlag: Kaum hatte er von der Erkrankung erfahren, stand ihm die schwierige Aufgabe bevor, Familie, Freunde und den Arbeitgeber zu dieser neuen Situation zu informieren. Wie das bewältigt werden kann und was die größten Herausforderungen sind, erzählen uns Thomas und seine Ehefrau Karin. Die Psychoonkologin Dr. Daniela Meger-David gibt wertvolle Hinweise zur Vorbereitung und zum Führen schwieriger Gespräche.
(EM-136052)

Teilnehmer:innen

Portrait Dr. Daniela Meger-David - Expertin für Psychoonkologie
Frau Dr. med. univ. Daniela Meger-David

Der Weg von Frau Dr. med. Meger-David führte über die Gynäkologie hin zur Psychoonkologie. Nach ihrem Studium der Humanmedizin und ihrer anschließenden Promotion in Wien, begann sie ihre ärztliche Tätigkeit im Bereich der Frauenheilkunde und kam dabei mit zahlreichen onkologischen Patientenfällen in Kontakt. Sie selbst sagt heute, dass sie gern schon früher in ihrer Ausbildung den richtigen Umgang mit schweren Diagnosen erlernt hätte. Neben ihrer langjährigen Tätigkeit als Oberärztin verfügt sie mittlerweile über zahlreiche Zusatzausbildungen in Bereichen wie der Psychoonkologie, der systemischen Familientherapie sowie der fachgebundenen Psychotherapie (i.A.). Mit ihrer Tätigkeit als Psychoonkologin möchte sie ihren Patient:innen helfen, einen eigenen Weg im Umgang mit der Erkrankung zu finden. Im Rahmen des Podcasts teilt sie wertvolle Tipps aus ihrer langjährigen Erfahrung zum Umgang mit Krebs und klärt psychologische Hintergründe näher auf.

Über den Podcast

Inhaltsverzeichnis

(00:00 – 01:06) Anmoderation der Folge.
(01:06 – 03:19) Die Liebsten einweihen – wie war das für Thomas?
(03:19 – 06:50) Das erste Krebsgespräch mit der Chefin und den Kolleg:innen.
(06:51 – 10:42) Im freien Fall: Ehefrau Karin über den Schock bei Thomas‘ Krebsdiagnose.
(10:42 – 12:07) Fragen und erste Recherchen: Warum Dr. Google kein guter Ratgeber ist.
(12:07 – 14:52) Vorbereitung auf das erste Krebsgespräch – Ratschläge von Frau Dr. Meger-David.
(14:53 – 17:22) Das Unwort „Krebs“: Wie Karin und Thomas die Kinder aufgeklärt haben.
(17:23 – 18:49) Kinderliteratur und Co – Tipps zur kindergerechten Aufklärung von Frau Dr. Meger-David.
(18:49 – 22:14) „Papa ist krank – aber ihm wird geholfen“: Normalität statt Ängste.
(22:15 – 24:38) Haarausfall und Mittagsschlaf: Was sich ändert, wenn der Krebs sichtbar wird.
(24:39 – 25:58) Gefühle zulassen, Bedürfnisse kommunizieren: Warum bei Krebs Reden Gold ist.
(25:59 – 30:09) Gemeinsam stark und zuversichtlich: Karin und Thomas‘ Weg durch die Erkrankung.
(30:10 – 37:07) „Es gibt keine dummen Fragen“: Abschließende Tipps bei Klärungsbedarf.
(37:07 – 38:14) Abmoderation und Verabschiedung.

Transkript Folge 3:
Diagnose Krebs/Knochenmarkkrebs - wie sage ich es anderen

Lars [00:00:25] Nachdem wir in einer vorherigen Folge über den Schockmoment der Diagnose Multiples Myelom, ein Krebs des Knochenmarks, gesprochen haben, widmen wir uns heute einem weiteren, sehr emotionalen Thema: Diagnose Knochenmarkkrebs - wie sage ich es anderen? Und dabei möchten wir auch Angehörige zu Wort kommen lassen und deshalb werde ich unterstützt heute von Thomas. Thomas kennen wir schon aus einer vorherigen Folge zum Thema Multiples Myelom und dieses Mal, ganz stark an seiner Seite, seine Ehefrau Karin, sowie die Psychoonkologin Dr. Daniela Meger-David. Danke für Ihren Mut, dass Sie alle mit dabei sind und mit uns sprechen. Ich fange jetzt mal einfach an, und zwar Thomas, Ihre Frau hat Ihre Erkrankung Multiples Myelom quasi zeitgleich im Rahmen Ihrer Untersuchungen miterfahren. Aber wie war es letztendlich für Sie, Ihre Kinder und Freunde, als Sie ihnen von Ihrer Erkrankung das erste Mal erzählt haben?

Thomas [00:01:26] Also den Kindern das zu erzählen, das war schon sehr schwierig. Wir haben da anfangs auch gar nicht das Wort Krebs in den Mund genommen, sondern haben eigentlich nur erstmal von einer schweren Erkrankung gesprochen, die sich aber gut therapieren lässt und, dass sie da keine großen Ängste haben müssen und, dass Papa auf jeden Fall wieder gesund wird und auch noch lange lebt.

Lars [00:01:53] Also Kinder ist ja das eine und wie war es mit nahestehenden Verwandten?

Thomas [00:01:57] Mit Freunden, da war ich eigentlich sehr offen und habe das jedem sofort erzählt. Ich hatte auch keine großen Probleme damit, weil wir jetzt schon so viele Krebsfälle im Bekanntenkreis und auch in der Familie gehabt haben, dass ich eigentlich gar nicht so große Berührungsängste mit dem Wort Krebs hatte. Und ich weiß noch, dass mein Vater, der 1996 an Krebs erkrankte, die ganzen acht Jahre, die er das hatte, im Prinzip bis kurz vor seinem Tod, überhaupt keiner von Bescheid wusste. Mir war gleich klar, so möchte ich das auf jeden Fall nicht haben. Von daher habe ich das eigentlich jedem gleich erzählt und bin da sehr optimistisch und offen und, ja, positiv gestimmt rangegangen.

Lars [00:02:48] Aber es gab da auch ein paar Phasen im Verlauf dieser Krankheit. Man sieht das ja nicht. Man sieht diese Art von Krebs erstmal nicht, solange Sie keine Chemotherapie gemacht haben und die Haare nicht ausgehen. Wie war das?

Thomas [00:03:02] Ich hatte eigentlich keine großen Beschwerden während der ganzen Zeit. Die superhohen Leichtketten, die ich hatte, die haben mir sozusagen keinen Schaden zugefügt. Was schwierig war, waren die ganzen Medikamente, die im Laufe der Therapie kamen. Ich habe auch super hohe Dosen an Kortison bekommen.

Lars [00:03:19] Aber Sie sind ein sehr, sehr aktiver Mensch, so wie ich das auch aus der ersten Folge noch in Erinnerung habe. Die Diagnose haben Sie erhalten und standen noch im Arbeitsleben, komplett aktiv. Wann haben Sie Ihrem Arbeitgeber gesagt „Ich habe Krebs“?

Thomas [00:03:36] Das habe ich auch relativ schnell gesagt. Ich hatte den Vorteil, dass ich nur Teilzeit arbeite, und habe eigentlich auch bis auf die Krankenhausaufenthalte, die letztes Jahr so 6 Wochen umfassten, die ganze Zeit durchgearbeitet. Da ich ambulant therapiert worden bin, konnte ich die restlichen Tage dann immer noch arbeiten. Ich habe das auch meiner Chefin relativ schnell gesagt, die großes Verständnis hatte. Ich arbeite im sozialen Bereich und das war überhaupt kein Problem. Sie hat mich da sehr unterstützt.

Lars [00:04:08] Was haben Sie genau zur ihr gesagt? Sie haben um einen Termin gebeten, sich dann hinten hingesetzt und gesagt „Ich muss Ihnen was sagen“, oder?

Thomas [00:04:17] Ja ja, also wir duzen uns. Ich meinte ich hätte jetzt eine schwerwiegende Erkrankung. Ich habe nicht ein Multiples Myelom in den Mund genommen, sondern habe gesagt ich habe Knochenmarkskrebs. Das fand ich irgendwie passender. Mit diesem Multiplen Myelom kann man ja eigentlich sonst gar nichts anfangen. Sie meinte dann „Arbeite solange du kannst und wenn das dann gar nicht mehr geht, lässt du dich halt krankschreiben. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst“. Ich habe aber eigentlich die ganze Zeit durchgearbeitet, was mir auch sehr gut tat.

Lars [00:04:53] Und das Arbeitsumfeld, die Kolleginnen und Kollegen?

Thomas [00:04:56] Die habe ich damals gar nicht gesehen. Ich arbeite im ambulanten Bereich und das war dann zur Hoch-Zeit von Corona. Das ging damals los im März, April, wo gar keine Kontakte mehr erwünscht waren. Ich habe meine ganzen Arbeitskollegen, die ich sonst auch nicht so oft sehe, dann im Prinzip bis Weihnachten gar nicht mehr gesehen.

Lars [00:05:18] Man spricht ja immer gern von diesem Flurfunk. Sind Kollegen denn auf Sie zugekommen?

Thomas [00:05:22] Nein, weil ich nicht lange krankgeschrieben war. Meine Chefin hat nur erzählt, dass ich jetzt erkrankt bin und sie hat auch nicht gesagt, dass ich Krebs habe. Das hat sie nicht weitergesagt. Ich habe mit meinen Kollegen das erste Mal wieder so richtig gesprochen jetzt dieses Jahr im März als wir uns gegen Corona haben impfen lassen. Da waren alle überrascht, dass ich so kurze Haare habe und ich meinte auch nur, ob sie denn nicht Bescheid wissen. Aber die waren ganz überrascht und meinten sie hätten sich auch mal gemeldet, wenn sie das gewusst hätten. Aber die melden sich jetzt und ich habe Kontakt zu ihnen. Zu der Zeit, jetzt im März, ging es mir auch schon wieder relativ gut.

Lars [00:06:08] Das heißt Sie stehen und standen aktiv im Arbeitsleben. Aber als es dann diese Diagnose gab, gab es eine Form von Existenzängsten? Irgendwie „Ich kann nicht mehr arbeiten“ und „Das Geld reicht nicht“. Wie war das?

Thomas [00:06:21] Nein, das gab es eigentlich gar nicht. Wir waren finanziell ganz gut abgesichert. Meine Frau ist Lehrerin und da ich halbtags arbeite in Teilzeit, war das kein großes Thema. Was mich am meisten geschockt hat war bei der Anfangsdiagnose noch, dass der Onkologe zu mir sagt „Dieses Jahr können Sie auf jeden Fall nicht arbeiten“. Das hat mir schon ganz schön zugesetzt. Da dachte ich „Oh Gott, oh Gott!“. Das hat sich so zum Glück ja nicht bewahrheitet.

Lars [00:06:50] Ich hole Sie jetzt mal dazu, Karin. Sie sind die Ehefrau von Thomas. Hallo!

Karin [00:06:55] Lacht. Ja, hallo!

Lars [00:06:57] Erstmal schön, dass Sie mitmachen. Wie war das für Sie als Sie erfahren haben, dass Ihr Mann an Krebs, dem Multiplen Myelom, erkrankt ist? Sie waren ja quasi live dabei.

Karin [00:07:09] Naja, wie sich das jeder wahrscheinlich vorstellen kann, ist das ein unendlicher Schock gewesen und dann befindet man sich, von jetzt auf gleich, im freien Fall. Da meinte dann der Arzt: „Ja aber ich kann Ihnen da was ganz tolles sagen und wir sind hier in Hamburg. Hier laufen viele Studien. Ich würde Ihnen dringend raten diese Studien aufzusuchen und da mitzumachen. Ich war da schon so frei und hab mich darum gekümmert. Gehen Sie da hin“. Es wurde also sofort ein Weg aufgezeigt, wie wir jetzt damit umgehen können.

Lars [00:07:42] Also alle Seiten wurden aktiv.

Karin [00:07:42] Ja, ja. Ich bin ein Typ, der dann zwar völlig unter Schock steht, wahrscheinlich reagiert jeder anders, aber dann fange ich an richtig aktiv zu werden und das habe ich auch die ganze Zeit weitergemacht, bis ich dachte, dass mein Mann jetzt in guten Händen ist. Natürlich waren wir auch da schon in guten Händen, aber ab dann ging sozusagen die Odyssey los und dann, na ja, ich schalte da relativ zügig auf so eine Art Autopilot. Es schossen einem erstmal die ersten Gedanken durch den Kopf wie am Freitag hat der Sohn seinen 13. Geburtstag und er hatte eine Übernachtungsparty geplant.

Lars [00:08:25] Man wird ganz pragmatisch.

Karin [00:08:27] Ja, abends sind wir noch Essen gegangen. Das war furchtbar, weil wir hatten montagbends gesagt: „Komm, keine Anrufe und alles super. Wir gehen morgen groß essen und freuen uns auf den Urlaub“. Wir sind dann essen gegangen, ich weiß nicht ob mein Mann das schon erzählt hatte, das war fürchterlich, weil wir in einem asiatischen Lokal saßen, wo uns der Kellner auch gut kennt. Er erkannte uns natürlich sofort und wir hatten uns bereits bei den letzten Besuchen immer darüber unterhalten, dass wir nur bald nach Asien fliegen. Nun hatten wir das mit dem Arzt schon besprochen, dass das dieses Jahr natürlich überhaupt nicht geht. Der liebe Kellner fing immer davon an wie schön es doch sei, dass wir jetzt bald in den Urlaub fahren. Das war grauenhaft, weil wir auch schon den Kindern allmählich sagten, dass das wahrscheinlich doch nichts wird. Aber ich wusste nicht, wie wir das jetzt dem Kellner sagen sollten. Der hörte aber gar nicht auf in den höchsten Tönen davon zu schwärmen, wie wunderbar das ist, dass wir nun bald in den Urlaub fahren. Dann habe ich ihn irgendwann zur Seite genommen. Die Kinder wussten in dieser Art und Weise eher noch nichts und wir wussten selbst zu diesem Zeitpunkt auch noch gar nichts Genaues. Wir hatten ja auch noch nicht so viele Informationen. Was sagen wir, was sagen wir jetzt den Kindern.

Lars [00:09:40] Dieses Multiple Myelom war Ihnen da auch komplett unbekannt

Karin [00:09:43] Natürlich. Also ich weiß nun nicht, aber ich frage Sie mal, wieviel wussten Sie sozusagen vorher vom Multiplen Myelom? Wahrscheinlich genauso viel wie ich. Ich wusste gar nichts.

Lars [00:09:52] Gar nichts.

Karin [00:09:52] Es war natürlich so, obwohl wir schon relativ viele Berührungspunkte mit dem Wort Krebs hatten. Mein Mann hat es eben schon gesagt, ich vergleiche das manchmal ein bisschen so wie mit der Schwangerschaft. Das eine ist eine sehr schöne Sache und das andere nun nicht. Aber als ich auf einmal das erste Mal schwanger war, sah ich um mich herum nur Schwangere. Als mein Mann nun diese Krebsdiagnose bekommen hatte, wurde es auf einmal bewusst wie viele Leute, auch im engen Freundeskreis…

Lars [00:10:25] … an Krebs erkrankt sind?

Karin [00:10:25] Ja genau. Wie viele schon Berührungspunkte mit Krebs hatten. Was vielleicht noch nicht so hochgekocht war, weil man denjenigen vielleicht zu dem damaligen Zeitpunkt noch gar nicht so gut kannte. Dann gute Nachbarn, Arbeitskollegen natürlich - auf einmal sieht man das. Man wird sehr sensibel für das Thema. Ich habe meinem Mann gleich verboten im Internet zu stöbern. Ich habe gesagt: „Komm lass das, mach dich nicht verrückt“. Ich habe es aber natürlich gemacht und das war nicht einfach. Jeder kennt das ja, man sucht nach der Ursache für Nasenbluten und am Ende des Tages ist man sich sicher, dass man alle schwersten Krankheiten auf sich vereint hat, die man sich vorstellen kann. Das ist natürlich mit der Diagnose Multiples Myelom auch nicht anders, wenn man anfängt zu recherchieren, noch am Anfang steht und nach Informationen sucht.

Lars [00:11:12] Und diese Krebsart ist ja auch eher unbekannt.

Karin [00:11:15] Ja. Im Netz kommt natürlich trotzdem sehr viel und man muss dann stark differenzieren. Denn nichts ist so alt, wie die Information von vor zwei oder drei Jahren. Da ist unheimlich viel im Wandel. Aber ich wollte viele Informationen. Ich hatte sehr viele Fragen. Aber viele Informationen und viele Antworten wollte ich auch nicht lesen und nicht hören. Da auf diese Weise weiterzukommen, das war nicht einfach. Der Schock war da ganz klar logisch. Es war eine große Erleichterung, dass uns der Weg gleich aufgezeigt wurde. Wir sollten am Donnerstag beim großen Krankenhaus vorstellig werden und dort wurden wir auch sehr, sehr gut empfangen. Ich glaube das hatte mein Mann auch schon im ersten Podcast gesagt. Dort hat uns die Ärztin sehr gut abgeholt.

Lars [00:12:08] Ich würde jetzt Frau Dr. Meger-David ins Gespräch holen. Frau Dr. Meger-David, Sie sind Psychoonkologin und jetzt frage ich mich wie bereitet man sich bestmöglich auf dieses erste Gespräch, zum Beispiel mit den Kindern oder der Ehefrau, vor? Wie geht man damit um?

Frau Dr. Meger-David [00:12:26] Bei Thomas war das so, dass die Ehefrau das von Anfang an wusste und ihm direkt zur Seite stand.

Lars [00:12:32] Quasi ein Glücksfall?

Frau Dr. Meger-David [00:12:33]: Genau, so kann man das sagen. Es gibt eben auch den Fall, dass der Erkrankte nichts darüber sagen möchte, dass er das als Geheimnis mit sich trägt. Das ist sehr anstrengend auf die Dauer. Deswegen empfehle ich da auf jeden Fall, dass man da offen ist und die Kommunikation grade auch mit seinen engsten Familienmitgliedern sucht.

Lars [00:12:53] Wie ist das im Arbeitsumfeld?

Frau Dr. Meger-David [00:12:55] Im Arbeitsumfeld ist auf jeden Fall der Chef, die Chefin, mit einzubeziehen, weil die natürlich für Ersatz sorgen müssen, wenn man ausfällt. Die Arbeit muss auf weniger Schultern verteilt werden. Ich denke, dass man besten weiterkommt, wenn man das offene Gespräch sucht und versucht das gelassen zu besprechen. Es ist durchaus zu empfehlen, dass man vielleicht auch seine Frau oder irgendjemanden mitnimmt, wenn man da Sorge hat, dass man das alleine nicht so gut hinbekommt. Das sagt man dann beim Ausmachen des Termins, dass man noch jemanden mitbringt. Es ist überhaupt wichtig, dass das Setting passt.

Lars [00:13:47] Also das Umfeld, der Ort?

Frau Dr. Meger-David [00:13:50] Das Umfeld und der Ort, wenn man das mit den Kindern bespricht. Man sollte auch einen Zeitpunkt suchen, der nicht unbedingt am Abend liegt, denn Kinder machen sich Gedanken und können dann nachts nicht schlafen. Das sollte man eher zu einem Zeitpunkt machen, wo nicht gerade am nächsten Tag die Schularbeit, die Klausur oder sonst etwas ist, wo die Kinder ganz andere Sachen im Kopf haben. Man sollte sich also auf jeden Fall Unterstützung holen. Das kann sein, dass man das gemeinsam als Eltern macht. Das kann sein, dass der Patenonkel, die Patentante, die Oma oder sonst jemand dabei ist, der unterstützend zur Seite stehen kann. Es kann auch sein, dass man das nicht bei sich zu Hause machen möchte, sondern in einem anderen geschützten Raum. Oder natürlich auch mit professioneller Begleitung. Die Psychoonkolog:innen sind dazu angehalten und bieten das an, dass sie dieses Gespräch bei sich in einem geschützten Raum stattfinden lassen.

Lars [00:14:54] Ich gehe nochmal ganz kurz zurück. Karin, wie haben Sie das gemacht mit Ihren Kindern? Es gab dann die erste Vermutung Ihrer Tochter, dass es vielleicht sogar Krebs ist. Wie war das? Wann gab es das Gespräch?

Karin [00:15:06] Wir haben das Wort Krebs die ersten Wochen erstmal nicht in den Mund genommen.

Lars [00:15:14] Auch in der Familie nicht?

Karin [00:15:15] Vor den Kindern, die zu diesem Zeitpunkt 13 und 15 Jahre alt waren, haben wir gesagt „Papa hat eine Krankheit“. Mein Papa ist an Diabetes erkrankt, auch die Tante von den Kindern ist an Diabetes erkrankt und sie kommen ja damit klar. Aber dadurch, dass man das von sich selbst weiß, weckt der Krebs sofort Assoziationen. Deswegen haben wir gesagt, dass Papa behandelt werden muss. Wir haben auch gesagt „Die Eiweißketten im Blut und Körper von Papa müssen raus“ und, dass es ganz tolle Wege und Mittel gibt das jetzt in den Griff zu bekommen. Wir sind dann trotzdem erstmal in den Urlaub gefahren.

Lars [00:15:59] Sie sind nach Asien gefahren?

Karin [00:16:00] Nein nein. Wir sind nicht nach Asien gefahren. Vor Beginn der Therapie, um die wir uns auch noch gekümmert haben, sind wir noch eine Woche weggefahren. Wir haben da was ganz anderes gemacht.

Lars [00:16:15] Nach Italien?

Karin [00:16:16] Nein, wir sind nach Polen gefahren in ein ganz tolles Hotel. Wir machen niemals Pauschalurlaub, sondern immer individuell. Wir mieten uns meist ein kleines Häuschen und da waren wir mal in einem 5-Sterne-Hotel, was für die Kinder auch völlig neu war. Das war für die Kinder toll. Die hatten ein riesiges eigenes Zimmer. Das war auch für meinen Mann schön. Wir konnten schwimmen gehen, viel Fitness machen, Tischtennis spielen – einfach alles, was eben so zu einem Luxusurlaub dazu gehört. Das haben wir uns gegönnt bevor mein man dann mit der Therapie startetet und zu diesem Zeitpunkt haben wir gesagt, dass Papa behandelt werden muss und die Eiweiße raus müssen.

Lars [00:17:02] Sie haben das ein bisschen verschleiert, richtig?

Karin [00:17:05] Ja, wir haben es erstmal verschleiert. Wir haben die Krankheit als solche nicht verschleiert, aber wir haben das Wort Krebs vermieden.

Lars [00:17:13] Das Kind nicht beim Namen genannt.

Karin [00:17:15] Nein.

Frau Dr. Meger-David [00:17:17] Das ist auch immer unterschiedlich, wie man damit umgeht. Das hängt auch sehr stark von den Kindern ab. Man muss selber abschätzen können, was man seinen Kindern zumuten kann und was eben nicht. Ich finde, das ist bei Ihnen ausgezeichnet gelaufen. Es gibt auch sonst viele Möglichkeiten. Wie gesagt kann man das in einer geschützten Umgebung machen. Es gibt eine große Anzahl an Büchern für zum Thema „Mama hat Krebs“ für jedes Alter. Eben Kinderliteratur, oder auch ganze Literaturlisten im Netz, wo man sich Unterstützung holen kann. Gerade auch bei kleineren Kindern sehr hilfreich, die das noch nicht so gut verstehen, wenn auf einmal die Haare ausfallen.

Lars [00:18:06] Frau Dr. Meger-David, aber was soll man auf gar keinen Fall tun? Was wäre total falsch?

Frau Dr. Meger-David [00:18:10] Dass man Ängste schürt. Das hatten Sie gut gemacht. Die Kinder haben auf einmal die große Sorge, dass der Papa oder die Mama morgen auf einmal nicht mehr da ist. Es kann durchaus sein, dass die Kinder zeitweilig eine psychologische Unterstützung oder Psychotherapie brauchen. Aber das ist eher selten der Fall. Wichtig ist, dass sie sich aufgefangen fühlen und sie sehen, dass das Leben weitergeht. Das mit dem Urlaub war fantastisch, dass sie das durchgeführt haben. Die Normalität im Alltag muss weiterhin gegeben sein. Die Kinder müssen weiterhin in die Schule oder den Kindergarten gehen, wo sie auch Freunde haben. Das Leben geht weiter und das müssen die Kinder erleben.

Lars [00:18:50] Ich komme nochmal zurück zu Ihnen, Karin. Wann haben Sie es den Kindern so richtig beim Namen genannt?

Karin [00:18:54] Naja, man stellt sich das viel schlimmer vor als es ist. Die Kinder, das habe ich jetzt schon oft gehört. Wir haben den Bekanntenkreis vergrößert und neue Bekannte getroffen, die in einer ähnlichen Situation sind. Also wir haben das den Kindern ohne große Planung erzählt. Es war gar keine große Sache, sondern wir haben es ihnen relativ schnell erzählt, ohne die Krankheit beim direkten Namen zu nennen. Wir haben aber auch das gesagt, was die Ärztin uns gesagt hat. Dass es heutzutage super Therapien gibt und Papa im Krankenhaus sein wird, aber ihm da wundervoll geholfen wird. Dass Papa die meiste Zeit zu Hause ist und auch weiterhin erstmal arbeiten wird. Wir machen also erstmal alle so weiter und wir haben jetzt Ärzte an der Seite, die uns wunderbar helfen. Die Kinder haben sich das angehört und hatten vielleicht noch die ein oder andere Frage, zum Beispiel „Verschwindet das Eiweiß denn dann wieder?“. Dann haben wir erklärt, dass Papa Medikamente bekommt und ihm vielleicht die Haare ausfallen. Thomas ist niemand, der raspelkurze Haare hat, sondern er hatte relativ lange Locken, die ihm fast bis auf die Schulter fielen.

Lars [00:20:15] Also quasi ein unsichtbarer Krebs. Man konnte es von außen gar nicht sehen.

Karin [00:20:19] Ja. Die Kinder sagten dann, das ist gut. Papa ist krank, wird aber geholfen und jetzt fahren wir auch noch in den Urlaub. Fraglich war auch, ob wir im Sommer in den Urlaub fahren können. Das haben wir dann geklärt und die Ärzte sagten, wenn wir das von der Therapie aus schaffen, sollte das kein Problem sein. Wir hatten einen super Urlaub im Sommer in Italien. Das war für die Kinder super. Thomas war die ganze Zeit dabei. Man muss ehrlicher Weise sagen, dass er sich mehr im Schatten aufhielt und manchmal etwas kaputt war, aber er war die ganze Zeit dabei. Außer wenn Thomas im Krankenhaus war, was mehr als 6 Wochen waren, über einen gewissen Zeitraum verteilt. Dann sind die Kinder zum Vater geradelt, weil das Krankenhaus in der Nähe war. Wir haben uns dort mittags auf der Terrasse getroffen. Das Wetter war super und es war schon während Corona, weswegen sie ihn nicht im Zimmer besuchen konnten. Aber wir haben uns dort auf der Art Sonnenterrasse getroffen. Die Kinder haben dort immer gegessen und wir haben uns alle dort getroffen. Ich kam von meiner Schule, die Kinder kamen von ihrer Schule angeradelt.

Lars [00:21:26] Und der Papa kam dazu?

Karin [00:21:28] Papa kam dazu und das war für die Kinder alles. Es war verständlich, wir waren immer gesprächsbereit, aber die Kinder ist es dann auch ok. Papa wird behandelt, Papa ist jetzt krank und dann haben wir auch aufgezeigt „Schau mal, bei deinem Klassenkameraden hatte das doch die Mutter und bei der anderen Klassenkollegen hatte das doch die Tante…“ und so weiter. Den Kindern wurde dann auch deutlicher, dass das stimmt. Dann fielen ihnen auch selbst Leute ein und wo man jetzt aber sieht, dass die jetzt prima weiterleben. Das hat den Kindern geholfen, nachdem wir dann auch gesagt haben, dass es eine Art Krebs ist. Die sind nicht in Tränen ausgebrochen, sondern die die haben es ganz pragmatisch genommen und haben gesagt „Papa wird jetzt geholfen und wir sind in den besten Händen“ und von daher, ja, und „Was gibt es heute Abend zu essen?“.

Lars [00:22:14] Für Außenstehende muss man ganz klar sagen, ist diese Art des Krebses, des Knochenmarkkrebses, ja nicht sichtbar.

Karin [00:22:24] Aber das ist es ja bei vielen nicht, also bei Lungenkrebs und Leberkrebs und Hautkrebs. Es ist oft so, dass man das nicht von weitem ansieht. Auch bei Darmkrebs beispielsweise. Das ist ja alles, wenn sie so wollen, unsichtbar.

Lars [00:22:36] Naja, aber in dem Fall ist es dann so. Es kommt vielleicht dazu, dass das Umfeld die Schwere dieser Erkrankung gar nicht sehen kann, obwohl es den Betroffenen in dem Fall schlecht geht. Anders ist es nach einer Chemotherapie und jetzt würde ich den Thomas dazu holen. Wenn die Haare ausfallen und plötzlich eine Glatze da ist, gibt es da Erfahrungen, die Sie gemacht haben in diese Richtung? Gute oder auch schlechte?

Thomas [00:23:02] Ich habe eine sehr gute Erfahrung gemacht und zwar hat mein direkter Nachbar gar nicht gemerkt, dass mir die Haare ausgefallen sind, weil ich während der Zeit wieder eine Mütze oder ein Cappy trug. Der war dann irgendwann ganz überrascht, als er mich mal ohne Cappy gesehen hat: „Mensch, du hast ja ganz kurze Haare.“ – „Ja, die sind mir nun schon vor 3 Monaten ausgefallen“. Aber ansonsten war das bei mir sowieso nicht zu sehen, weil ich eigentlich unter der Krankheit gar nicht so gelitten habe. Mir hat die Therapie zugesetzt, die ganzen Medikamente. Ansonsten hatte ich ja gar keine großen Auswirkungen, also körperlich gar nicht.

Lars [00:23:44] Das heißt, das Thema wurde in keinster Form irgendwie zurückgehalten. Sie haben es nicht runtergespielt. So wie es Ihnen ging, so ging es Ihnen auch.

Thomas [00:23:53] Ja genau. Was für mich am schwierigsten während dieser ganzen Therapiezeit war, war die Tatsache, dass ich regelmäßig Mittagsschlaf machen musste.

Lars [00:24:02] Was ja nicht das Schlechteste ist.

Thomas [00:24:05] Lacht. Mittlerweile mache ich zum Glück keinen mehr, da bin ich auch sehr froh drüber. Gegen 12 Uhr bzw. 12:30 Uhr war ich auf einmal so dermaßen müde, als hätte man einen Stecker rausgezogen. Dann musste mich auch hinlegen und habe mindestens eine Stunde geschlafen. Das war natürlich alles zu dieser Corona Zeit, wo die Kinder zu Hause waren und alle mussten dann Rücksicht nehmen. Das hat mich schon ein bisschen belastet, dass alle Rücksicht nehmen mussten, weil ich Mittagsschlaf mache.

Lars [00:24:39] Aber nichtsdestotrotz hört sich das alles sehr, sehr gut an. Frau Doktor Meger-David, das Ehepaar Thomas und Karin haben das richtig gut in den Griff bekommen.

Frau Dr. Meger-David [00:24:48] Ich würde sagen, das ist quasi, wie es optimal laufen kann. Bilderbuchartig kann man sagen. Natürlich ist das oft so, dass man das eben, nicht jedem erzählen möchte, wie wir auch eingangs gehört hatten. Es gibt auch Menschen, die möchten die Familie oder die Freunde nicht belasten, wenn es ihnen nicht gut geht. Sie spielen nach außen, dass es ihnen trotzdem gut geht, was natürlich extrem anstrengend ist, dieses Theater sozusagen aufrecht zu halten. Ich finde, wie die Familie das geschildert hat, ist eigentlich das Optimale. Dass man authentisch ist, dass man auch einfach zulassen darf, dass es einem nicht gut geht, dass man müde ist, dass man Übelkeit hat.

Lars [00:25:34] Dem Thomas ist es aber nicht immer leichtgefallen.

Frau Dr. Meger-David [00:25:36] Das ist ihm nicht leichtgefallen. Genau, das habe ich auch gehört und trotzdem konnte er es zulassen und hat das einfach auch kommuniziert. Ich denke das ist das Wichtigste, dass man das weitergibt und nicht darunter leidet eine Fassade aufrechtzuerhalten, die sogar nicht stimmig ist mit dem, was man wirklich spürt und fühlt.

Lars [00:25:59] Ich komme nochmal zurück. Karin, du bist ja nun wirklich ganz nah dran an deinem Ehemann. Wofür bewunderst du Thomas in der Kommunikation über seine Erkrankung?

Karin [00:26:10] Wir sind jetzt seit 30 Jahren zusammen und wir kennen uns glaube ich sehr, sehr gut und wir harmonieren glaube ich. Sonst wären wir wahrscheinlich auch nicht über 30 Jahre zusammen. Wir passen da gut zusammen und sind ähnlich. Als wir uns auf das Gespräch vorbereitet hatten, ist uns aufgefallen, dass das anscheinend für viele ein Thema ist dieses „Oh Gott, wie kommunizieren wir das? Wie erzählen wir das Freunden? Wie erzählen wir das den Leuten um uns herum, der Familie?“. Wir sind beide total offen. Das war für uns beide keine Frage. Thomas war immer sehr offen im Umgang. Ich bewundere ihn sehr, dass er gar nicht zornig war. Thomas ruhte die ganze Zeit in sich und hat nach außen hin auch Kraft gespiegelt, wenn es denn ging. Manchmal hat er auch gesagt „Du, ich muss mich heute ein bisschen schonen. Ich setze mich jetzt einfach hier mal hin und ich kann heute nicht ganz so aktiv sein“. Ansonsten gab es diese Phasen mit Zorn und Verzweiflung gar nicht, die, je nachdem wie die Leute so sind, vielleicht mal deutlicher sind. Das gab es bei meinem Mann gar nicht, sondern er war eigentlich immer sehr gefasst und.

Lars [00:27:35] Und ist es bis heute.

Karin [00:27:35] Ja! Wir haben nun auch wirklich Glück gehabt und wir sind positiv. Wir sind optimistisch. Es fällt manchmal nicht so leicht, aber wir selektieren die Informationen, gerade die neuen Informationen, die man aus den Fachkreisen bekommt. Die machen wirklich viel Mut und auch, dass die Therapien so gut angesprungen sind und bei meinem Mann so viel helfen konnten. Das gab uns immer wieder viel Kraft und auch Thomas viel Kraft und Zuversicht. Bei meinem Mann war das nicht so nach dem Motto heute ist er ganz zornig und heute ist er nur niedergeschlagen. Das war eigentlich nicht so. Dass er jetzt sagt, dass ihn das belastet hat, dass seine Familie so Rücksicht nehmen musste, da bin ich selbst überrascht. Jetzt sagte ich eben, wir kennen uns so gut.

Lars [00:28:25] Jetzt hat er es mal gesagt.

Karin [00:28:25] Ich war ja auch zu Hause, weil ich die ganze Zeit von zu Hause unterrichtete. Die Kinder sind halt noch jung und in der Pubertät und der ein oder andere vergisst es. Es sind bloß zwei Kinder, aber manchmal fühlen sie sich an wie zahlreiche. Manchmal vergaßen sie tatsächlich leise zu sein, aber dann habe ich gesagt, dass sie leise sein sollen, und das war keine Belastung. Mein Mann war sonst nie im Krankenhaus, er war immer fit. Er hatte zwar Infekte, wo man rückblickend denken könnte, ob sich die Krankheit da vielleicht schon abzeichnete. Aber eigentlich war mein Mann immer sehr gesund. Ich glaube Thomas hat das wirklich prima hingekriegt.

Lars [00:29:19] Sie gemeinsam.

Karin [00:29:19] Ja. Er hat seine ganzen Kraftreserven zusammengezogen und Kraft gesammelt. Vieles, was ich vielleicht am Rande so mitbekommen habe, was mich auch oftmals runtergezogen hat, das hat mein Mann gar nicht an sich rangelassen. Eben doch auch, dass man vielleicht nicht von jedem diese Unterstützung bekommt, die man sich eigentlich wünschen würde. Das war bei uns zum Teil auch so. Mein Mann meinte dann zu mir, dass er die Kraft jetzt für sich und für seine Heilung, sozusagen für sein Bessergehen, braucht und das finde ich toll. Er hat sich da wirklich konzentriert und das Ziel im Blick gehabt. Die Krankheit soll nicht mehr nachweisbar sein. Jetzt in der Erhaltung gibt er alles und das trägt auch Früchte.

Lars [00:30:11] Aber nichtsdestotrotz, nach so einem Gespräch stellt sich bei den Betroffenen manchmal Erleichterung ein. Sie sind es dann losgeworden und haben gesagt „Das ist die Diagnose. Wir haben Krebs, ich habe Krebs – Multiples Myelom“. Bei Angehörigen können aber trotzdem Fragen offen bleiben. Jetzt frage ich mal so in die Runde, was sind abschließend Ihre Tipps nach einem solchen Gespräch? Frau Dr. Meger-David, was würden Sie raten? Was sind die Tipps, wenn trotzdem noch Fragen offen bleiben?

Frau Dr. Meger-David [00:30:38] Auf jeden Fall aufschreiben, das ist immer ganz wichtig. Wenn noch Fragen auftreten, da bin ich auch immer ganz offen dafür, aufschreiben und mitbringen und nochmal nachfragen. Es gibt überhaupt keine dummen Fragen, man darf alles fragen. Es ist das erste Mal, dass man mit so einer Situation konfrontiert wird. Es ist wunderbar, dass die beiden das so gut und harmonisch miteinander hinbekommen haben. Es gibt aber auch Situationen, da denke ich jetzt an andere Patientinnen oder Patienten, wo das eben nicht ganz so gut läuft. Wo dann auch ein Rezidiv auftritt und das ganz wichtig ist, dass man die Situation sozusagen anerkennt.

Lars [00:31:15] Das ist eine Folgeuntersuchung, dieses Rezidiv?

Frau Dr. Meger-David [00:31:18] Das Rezidiv ist, wenn der Krebs wiederkommt. Das optimale Ziel ist, dass man den Krebs so behandelt, dass er in die chronische Phase geht und eben nicht mehr aufflammt. Das ist sozusagen das, was wir alle in unseren Therapien anstreben wollen. Aber durchaus gibt es Situationen, dass es wieder kommt. Dann kann es schon auch auftreten, dass man dann etwas ermüdet, dass man dann nicht mehr diese Kraft hat, weil man es schon mal probiert hat. Da immer noch diese Offenheit und Aufmerksamkeit zu spiegeln und authentisch zu bleiben. Das ist das, was durchaus als schwieriger erlebt werden kann. Aber deswegen ist das Gespräch ganz wichtig. Wie gesagt, ich kann nur noch appellieren, man soll jede Frage stellen dürfen und dann auch hoffentlich die richtigen Antworten, die einem helfen, bekommen.

Lars [00:32:16] Thomas, was würdest du raten? Wenn es dann noch Fragen gibt nach einem solchen Gespräch, was ist dein Tipp nach draußen? Ihr habt jetzt schon mal ganz viel richtig gemacht.

Thomas [00:32:27] Nach so einem Gespräch bei einem Onkologen?

Lars [00:32:34] Im Gespräch mit der Familie, mit den Kollegen, mit den Verwandten. Dieser offene Umgang damit. Wenn es dann wieder Fragen gibt, geht man aktiv drauf zu und sagt „Wenn du Fragen hast, frag mich“?

Thomas [00:32:47] Bei meiner Familie, bei meiner Mutter und bei meinen Brüdern, die konnten da nicht gut mit umgehen.

Lars [00:32:56] Jetzt in deinem Fall speziell nicht so gut damit umgehen?

Thomas [00:32:57] Nein, wir haben uns da eigentlich mehr erwartet und dadurch ist familienmäßig einiges zerbrochen. Es ist ein schwieriges Thema.

Frau Dr. Meger-David [00:33:12] Da muss ich vielleicht auch noch mal was sagen, weil ich hätte jetzt auch an das Gespräch mit dem Onkologen gedacht und nicht an die Angehörigen. Man kann natürlich anbieten, dass man Angehörige mitnimmt, zum Beispiel zu einem Gespräch beim Onkologen oder auch zum Psychoonkologen. Falls Fragen offen sind, die man selbst nicht gut beantworten kann oder wo man einfach keine Antwort weiß, dass man da versucht, das noch aufzulösen.

Lars [00:33:38] Also quasi gemeinsam mit den Kindern?

Frau Dr. Meger-David [00:33:42] Genau. Mit den Kindern, aber auch zum Beispiel mit der Mutter. Oder wenn das wichtig ist, wenn das Sachen sind, die einen belasten oder auch bei den Angehörigen noch Fragen offen lassen.

Karin [00:33:55] Vielleicht lag es bei uns daran, dass wir da immer sehr gut informiert waren, aber ich sage es jetzt mal so, da blieben keine Fragen offen. Ich glaube, es hieß meistens „Ihr seid ja richtig gut informiert“ und „Ihr wisst richtig gut Bescheid“. Meine Mutter, die ist mit dem Internet altersbedingt vielleicht nicht mehr ganz so firm, aber ansonsten, wir mussten keine Freunde mit zum Onkologen nehmen, weil die noch besondere Fragen hatten. Es gibt eben heute die Möglichkeit, wirklich sehr viel im Internet zu recherchieren. Aber das, was eben unsere Onkologin oder unsere Psychoonkologin eben schon sagte. Bei den Arztbesuchen waren schon noch immer Fragen offen. Ich habe mir auch für das Abschlussgespräch einen Fragenkatalog mitgenommen. Das fand ich viel wichtiger, als wenn jetzt unser Freund Jens noch eine Frage hatte. Da hatten wir überhaupt keine Probleme, was jetzt auch nur an uns liegen mag. Aber vielleicht hat Jens sogar noch Fragen aufgeworfen, die ich mir dann aufgeschrieben habe. Thomas geht noch ein Mal im Monat im Rahmen der Erhaltungstherapie ins Krankenhaus und am Anfang habe ich Thomas immer einen Fragenkatalog mitgegeben. Dann ist er losspaziert und kam auch mit einem Haufen Antworten wieder und auch als wir jetzt das Abschlussgespräch hatten, da haben uns das auch Freunde, Nachbarn und so weiter alle geraten „Schreib dir das alles auf und schreib dir auch stichwortartig die Antworten auf“. Das kann ich auch wirklich nur jedem raten. Das ist ganz, ganz wichtig. Ich habe da jetzt auch erfahren, dass man bei so ganz existenziellen Themen eigentlich nicht in der Lage ist, länger als eine Viertelstunde die Information aufzunehmen, weil man so hochgradig konzentriert ist. Da ist dieser Tipp mit dem Aufschreiben Gold wert, dass man sich wirklich die Fragen notiert und auch noch die Antworten, wenn es denn gemütlich ist. Das fand ich toll. Das war eine gute Hilfe.

Frau Dr. Meger-David [00:36:21] Ich habe noch ein bisschen daran gedacht, dass es auch Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Menschen, die es intellektuell auch durchaus schwieriger haben die Zusammenhänge so komplex zu verstehen, gerade bei solch einer Erkrankung. Da ist das durchaus legitim, dass eben auch die Angehörigen noch mit Fragen kommen und sich auch mehrere Angehörige immer wieder mal melden und nochmal gerne sprechen möchten.

Lars [00:36:53] Also das heißt der Fragende ist hier ganz klar im Vorteil und wird auch von keiner Stelle abgewiesen. Wunderbar!

Frau Dr. Meger-David [00:37:00] Das sollte eigentlich nicht so sein. Jetzt während Corona war das natürlich schwieriger, aber wir haben immer versucht, jeden zu hören.

Lars [00:37:07] Dann bleibt mir nichts anderes, als Ihnen ganz, ganz herzlich zu danken für Ihre Einblicke zu diesem Thema. Ich werde hier mit viel Hilfreichem aus dieser Podcast Folge herausgehen. Ich wünsche Ihnen allen weiterhin ganz, ganz viel Kraft und glaube, dass sie mit ihrer Offenheit vielen Menschen da draußen helfen konnten. So, und das war es von uns erstmal an dieser Stelle. Ich sage Tschüss. Thomas und Karin, ganz, ganz lieben Dank für ihre Offenheit und für ihre Zeit. Schön, dass Sie hier in unserem Podcast mitgemacht haben und dabei waren und danke auch an Sie, Frau Dr. Meger-David und Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, und ich sage jetzt dann auch auf Wiedersehen und ich freue mich aufs nächste Mal. Machen Sie es gut, tschüss!

Karin [00:37:52] Tschüss!

Thomas [00:37:52] Tschüss!

Frau Dr. Meger David [00:37:52] Tschüss!

Lars [00:37:55] Vielen Dank, dass Sie heute dabei war. Wir freuen uns auf Anregungen, Ideen oder Themenvorschläge für „Mein Krebsratgeber zum Hören“. Oder möchten Sie Ihre Geschichte mit uns teilen? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail im Beschreibungstext finden Sie alle weiteren Informationen und Adressen.

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